Weitere 15 Monate Haft für Reemtsma-Entführer Drach
Hamburg (dpa) - Aus der Sicht des Gerichts war es eine Tat zwischen zwei Ganoven: Weil er um das Millionen-Lösegeld aus der Reemtsma-Entführung fürchtete, hat Thomas Drach aus der Haft heraus versucht, seinen jüngeren Bruder erpressen zu lassen.
Das Hamburger Landgericht verurteilte ihn am Dienstag wegen versuchter Anstiftung zur räuberischen Erpressung zu 15 Monaten Haft, damit kommt eine anschließende Sicherungsverwahrung nicht mehr in Frage. Die Kammer blieb deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die zweieinhalb Jahre Haft und Sicherungsverwahrung beantragt hatte. Eigentlich sollte Drach im Juli 2012 aus der Haft entlassen werden.
„Es war eine Tat gegen Ihren Bruder, der kein zufälliges, unschuldiges Opfer ist“, sagte die Vorsitzende Richterin Ulrike Taeubner. Es sei bei der Straftat um die Beute aus der Reemtsma-Entführung gegangen, die keinem der beiden Brüder zustehe. Drach habe vor Gericht keine Reue gezeigt, die objektiven Umstände aber eingeräumt. Es sei klar, dass er die Briefe geschrieben und er seinem Bruder Geld zur Geldwäsche übergeben habe. Strafverschärfend habe sich ausgewirkt, dass Drach vorbestraft sei und die Tat aus der Haft heraus begangen habe. Zudem seien von dem 51-Jährigen auch in Zukunft kriminelle Taten zu erwarten.
Taeubner sagte, der Angeklagte habe Angst gehabt, dass sein Bruder vor ihm aus der Haft entlassen werden könnte und sich dann die Lösegeld-Millionen unter den Nagel reiße. „Sie fürchteten, dass Ihr Bruder Sie um die Früchte Ihres kriminellen Tuns bringen würde.“ Eine Sicherungsverwahrung konnte aber nicht verhängt werden, da er zu weniger als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Drach muss bis zum Oktober 2013 im Gefängnis bleiben.
Drachs Verteidiger Helfried Roubicek hatte seine Forderung nach einem Freispruch damit begründet, dass die Briefe lediglich zum Dampfablassen dienen sollten. „Er wollte mit dem Briefinhalt höchstens die Justiz provozieren und vorführen, was ihm eindrucksvoll gelungen ist“, sagte Roubicek. Seinem Mandanten sei das Verfahren nahegegangen. „Es ist für ihn belastend und schikanös.“ Drach sagte in seinem Schlusswort, die Vorwürfe gegen ihn seien an den Haaren herbeigezogen. Sein Verteidiger will nun prüfen, ob er in Revision geht.
Staatsanwalt Karsten Hoffmann betonte, Drach habe einen Hang zu Straftaten und sei gefährlich für die Allgemeinheit. Im Prozess habe sich Drach weder reumütig noch einsichtig gezeigt. „Auch wenn die vorliegende Tat möglicherweise nicht als schwere Gewalttat einzustufen ist (...), gibt sie einen Vorgeschmack darauf, was nach einer Haftentlassung zu erwarten ist“, sagte er. Da Drach nach seiner Entlassung möglicherweise nicht über das Lösegeld für sein angestrebtes Leben im Luxus verfügen könne und nichts gelernt habe, bliebe ihm vermutlich aus seiner Sicht nichts anderes übrig, als erneut Straftaten zu begehen.
Reemtsma war im März 1996 in Hamburg entführt worden. Nach Zahlung eines Lösegeldes von 15 Millionen Mark und 12,5 Millionen Schweizer Franken (zusammen etwa 15,3 Millionen Euro) wurde er Ende April 1996 freigelassen. Drach wurde 1998 in Buenos Aires gefasst. Drei Jahre später verurteilte ihn das Hamburger Landgericht wegen erpresserischen Menschenraubs zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft. Vom Großteil des Lösegeldes fehlt jede Spur.