Terror Wenn Herkunft und Haarfarbe Menschen verdächtig machen
Der Chemikalienkauf in der Nähe von Köln hatte doch keinen Terror-Hintergrund. Warnt die Polizei zu schnell vor den Falschen?
Köln. Christoph Kuckelkorn, der Leiter des Kölner Rosenmontagszuges, weigerte sich, gleich vom Schlimmsten auszugehen. „Vielleicht will der Mann aus dem Baumarkt mit den Chemikalien auch einfach nur sein Auto waschen“, vermutete er. Die Polizei hatte da gerade eine Fahndung nach einem möglichen Bombenbauer eingeleitet — und schon wurde über eine Absage des Rosenmontagszugs spekuliert.
Ganz so harmlos wie Kuckelkorns Vermutung war die Erklärung am Ende dann zwar nicht — der 44-jährige Chemikalienkäufer wollte nach seinem Kauf am Freitag in einem Baumarkt in Pulheim möglicherweise Drogen zusammenmischen. Ein Mitarbeiter des Baumarktes fand den Mann so auffällig, dass er tags darauf die Polizei informierte, die am Mittwoch eine Fahndung einleitete. Der Mann stellte sich den Ermittlern. Nach der Vernehmung und der Durchsuchung seiner Wohnung teilte die Kölner Polizei am Mittwoch mit, der anfängliche Verdacht werde nicht mehr aufrechterhalten.
„In Zeiten einer angespannten Sicherheitslage sind wir uns der Verantwortung für die Menschen sehr bewusst und sind dankbar für alle Hinweise aus der Bevölkerung“, stellte Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies am Mittwoch ausdrücklich fest. Eine Polizeisprecherin ergänzte: „Es ist sehr sinnvoll, lieber einmal mehr etwas zu melden als einmal zu wenig.“
Kann man sich wirklich in einem Baumarkt für den Bombenbau eindecken? „Sie müssen noch nicht mal in den Baumarkt gehen“, sagt der Experte Martin Härtel. Er ist als Chemiker an der Universität München auf „Homemade Explosives“ spezialisiert, also Sprengstoffe aus frei erhältlichen Grundstoffen. „Sie können sich alles bei einem großen deutschen Online-Händler frei zugänglich bestellen“, sagt er.
In dem Kölner Fall spielte möglicherweise auch die äußere Erscheinung des Käufers eine Rolle. Die Mitarbeiter des Baumarktes beschrieben ihn als „aus dem Nahen Osten stammend“. Seit längerem sehen sich Menschen, die diesem Typ entsprechen, unter Generalverdacht gestellt. „Es vergeht kaum ein Tag mehr, an dem ich nicht irgendeinen blöden Spruch zu hören bekomme“, erzählt zum Beispiel eine schwarzhaarige Flüchtlingshelferin aus Köln.
Ekaterina Degot ist eine russische Kunsthistorikerin, die an europäischen und amerikanischen Universitäten gelehrt hat und jetzt die Akademie der Künste der Welt in Köln leitet. Sie verweist darauf, dass es in den USA seit vielen Jahrzehnten eine Debatte über „racial profiling“ gebe, also über Ermittlungen nach ethnischen Gesichtspunkten: „Ich glaube, es würde Deutschland guttun, wenn es hier auch eine solche Debatte geben würde.“
Der Chef des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, plädiert für einen maßvolleren Gebrauch des Terror-Alarms. „Aufgrund der Erfahrungen der letzten Zeit halte ich im Umgang mit den Warnhinweisen ein abgewogenes Risikomanagement für nötig“, sagt er. „Wir dürfen unser öffentliches Leben nicht von den Drohungen der Terroristen lahmlegen lassen.“
Sebastian Fiedler, stellvertretender Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, hält all das für „Quatsch“. Eine Debatte über „racial profiling“ gibt es seines Erachtens schon lange. Und was die Äußerung von Maaßen betrifft: „Die Bevölkerung wird eher beruhigt dadurch, wenn sie den Eindruck hat, dass die Polizei sorgsam mit solchen Hinweisen umgeht.“