Westerwelle: Vom Spaß-Guido zum Staatsmann im Außenamt

porträt Der 47-Jährige stand sich wegen seines Hangs zum Übertreiben oft selbst im Weg. Er lernte aber aus Fehlern.

Berlin. Guido Westerwelle ist am Ziel: Er ist Vizekanzler und Außenminister der von ihm angestrebten "bürgerlichen Koalition". Dass dies vor allem sein Verdienst sei, daran lässt der erst knapp 47-jährige Freidemokrat keinen Zweifel. Tatsächlich haben nur die Gewinne der FDP diese Koalition knapp über die Ziellinie gerettet. Und Westerwelle lässt seine Partner spüren, dass er der eigentliche Sieger sei. Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages - gemeinsam mit Merkel und CSU-Chef Seehofer - spielte er sich derart in den Vordergrund, dass Merkel und Seehofer vom Gesicht abzulesen war, wie unangemessen sie diesen Auftritt empfanden. Und als Westerwelle dann noch triumphierend verkündete, er sei nun sogar mit Seehofer per Du, da litt der CSU-Chef regelrecht körperliche Schmerzen und schien drauf und dran, dem aufdringlichen FDP-Mann das Du auf der Stelle wieder zu entziehen.

Denn da war es wieder, das alte Leiden des politischen Überfliegers Westerwelle, für das seine Mitarbeiter schon lange einen Begriff gefunden haben: "Immer einen Zahn zuviel". So wie wenige Tage zuvor, als der FDP-Chef einen britischen Journalisten darüber belehrte, dass man in Deutschland deutsch spricht. Was in der Sache durchaus vertretbar war, wurde durch die überzogene Art des Auftretens zur medialen Katastrophe. Und Westerwelles Dauerlächeln, von seinen Mitarbeitern auch "Kampf-Grinsen" genannt, machte die Sache eher noch schlimmer. Dabei ist Westerwelles Englisch gar nicht so katastrophal schlecht, wie viele Kommentatoren und einige Youtube-Videos nahelegen wollten. Besser als das von Joschka Fischer zu Beginn von dessen Amtszeit ist es wohl allemal.

Der ungebrochene Hang zur Übertreibung kann aber nicht vergessen machen, dass Westerwelle durchaus in den letzten Jahren an politischem Gewicht gewonnen hat. 1961 in Bad Honnef geboren - die Eltern waren beide Juristen -, machte er nach seinem Jurastudium eine steile Parteikarriere. Schon 1994 war er FDP-Generalsekretär, um dann auf dem Düsseldorfer Parteitag im Jahr 2001 den farblosen Wolfgang Gerhardt als FDP-Chef abzulösen. Sein Start als Parteichef war wenig glücklich. Im Bundestagswahlkampf 2002 erfand er zusammen mit Jürgen Möllemann das "Projekt 18". Als "Kanzlerkandidat" fuhr er im "Guidomobil" durchs Land, und sein Besuch im "Big-Brother-Container" stempelte ihn damals endgültig als "Spaß-Guido" und unseriösen Polit-Kasper ab. Magere sieben Prozent brachte das "Projekt 18".

Westerwelle hat aus diesen Fehlern gelernt. Seit 2006 Fraktionschef, profilierte er sich im Bundestag als einer der wichtigsten Oppositionsführer. Niemand sprach mehr vom "Spaß-Guido", Schritt für Schritt erarbeitete er sich ein seriöses Image zurück. Sein lange unerwidertes Buhlen um die Gunst des FDP-Übervaters Genscher wurde schließlich doch erhört. Im jüngsten Bundestagswahlkampf unterstützte die liberale Ikone den gewandelten Nachfolger.

Über Westerwelles außenpolitische Vorstellungen ist allerdings kaum etwas bekannt, sieht man von seiner wiederholten Forderung nach dem Abzug aller US-Atomwaffen ab. Aber für das Außenamt gilt, dass seine Minister mit der Aufgabe wachsen. Und es ist ein Ministerium mit "Beliebtheitsgarantie". Westerwelle müsste schon gravierende Fehler machen, wenn er nicht binnen Jahresfrist zu den beliebtesten deutschen Politikern zählen sollte. Und für solche Fehler ist er eigentlich zu klug. Wenn da nicht dieser schon erwähnte "Zahn" wäre, der immer einer zu viel ist.