Wir sind Zuschauer – holt uns da raus

In der Union wächst die Kritik an den Privatsendern. Doch diese läuft nach Meinung von Experten ins Leere - trotz Ekelshows wie dem Dschungelcamp.

Düsseldorf. Ein Mann hat Angst. DJ Tomekk (31) befindet sich in einem schrankgroßen Aquarium, seine Füße sind angekettet, der Wasserpegel steigt schnell. Bald schwimmen Aale und Krokodile um ihn herum, immerhin nur kleine. Der Mann hält das nicht mehr aus: "Ich kann nicht schwimmen." Diese Szene zeigte RTL gestern in der Dschungelshow "Ich bin ein Star, holt mich hier raus".

In der Überwachungsshow "Big Brother" bei RTL2 kamen gerade Schweinenasen, Schneckenrisotto und Rattenschenkel auf den Tisch. Der große Senderbruder RTL serviert heute im Camp fette lebende Maden.

Und diese Formate sind ja nur ein Teil der Unsäglichkeiten im Kommerzfernsehen. Nachmittags ist vulgäres Pöbeln Programm, anzügliche Sexwerbung läuft in der Dauerschleife, was als Dokumentation bezeichnet wird, ist allenfalls ein willkürlich zusammengestelltes Kuriositätenkabinett. Politisch Hintergründiges findet sowieso nicht statt.

Oettinger ist allerdings nur ein Beispiel für das zunehmende Unbehagen von Christdemokraten am dualen Fernseh-System (hier öffentlich-rechtliche Sender, da private), das ihre Partei vor 24Jahren durchgedrückt hat.

Der CDU-Politiker Bernhard Vogel sah im vergangenen Jahr das "Kulturgut Fernsehen" gefährdet, als Sat 1 seine Abendnachrichten einstellte - dabei waren die ohnehin nur ein Feigenblatt. Christian Schwarz-Schilling, als Postminister unter Helmut Kohl eifriger Verfechter des Privatfunks, sagte zwei Jahrzehnte später, dass er selbst bei den Privaten höchstens Nachrichtenkanäle und Klassikradio einschaltet.

TV-Konsum Wie finden Sie das Programm der privaten und öffentlich-rechten Fernsehsender: Gibt es überhaupt noch Unterschiede? Schauen Sie sich Sendungen wie die Dschungelshow an oder schalten Sie dabei grundsätzlich ab? Gibt es auch etwas, was Sie mögen?

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Wenn C- oder besser: Z-Prominente in Kakerlaken baden oder in Maden beißen, dann weiß man nicht, wer einem mehr leid tun sollte: die Möchtegern-Promis, die Tiere - oder jene, die das Privat-Fernsehen zu einer einzigen Sudel-Suppe verkommen lassen und nicht erkennen, wie sehr sie ihrer eigenen Sache damit schaden. Die Manager von RTL und ProSieben wettern gegen das Gebühren-Fernsehen, dabei sind es allein ARD und ZDF, die sich mit Qualitätsangeboten wie Tagesschau, 37 Grad, Aspekte oder Quarks & Co. gegen die drohende Verblödung der Nation stemmen - obwohl sie der Versuchung nicht ganz widerstehen können, sich hier und da von der Privatkonkurrenz auf Abwege führen zu lassen.

Nein, das kann es nicht gewesen sein, was Helmut Kohl und seine CDU uns einst als "geistig-moralische Wende" verkaufen wollten, als sie die Einführung des Privatfernsehens propagierten: Voyeurismus-Shows à la Big Brother, pornografische Ruf-mich-an-Werbefilmchen, Gerichtssendungen mit völlig talentfreien Laiendarstellern und nicht zu vergessen: die grenzdebilen Bei-Anruf-Abzocke-Quizshows mit oder ohne superbusig-wasserstoffperoxidierenden Moderatorinnen, die keinen Satz geradeaus sprechen können.

Immerhin dämmert einigen Christdemokraten inzwischen, welches Kind sie da geboren und großgezogen haben. Wenn sich in den nachmittäglichen Talkshows die Vertreter des Prekariats öffentlich verbal die Köpfe einschlagen dürfen, dann ist zumindest nicht auszuschließen, dass das unsere Gesellschaft insgesamt noch ein Stück gewalttätiger macht. In jedem Fall fördert das "Sch...-Fernsehen", wie es Ministerpräsident Oettinger ebenso deftig wie treffend formulierte, nicht gerade Bildung und Kultur in Deutschland.

Was daraus folgt? Das öffentlich-rechtliche Fernsehen bleibt unverzichtbar, so lange das Privat-TV nur auf Quote und kurzfristige Rendite starrt und seine gesellschaftliche Verantwortung ignoriert. Und wenn mit Blick auf die Jugendkriminalität schon über so viele Gesetzesänderungen schwadroniert wird: Wie wäre es mal mit einer Stärkung der zahnlosen Landesmedienanstalten? Schließlich bleiben noch wir Zuschauer. Wozu riet Peter Lustig immer am Ende seiner Löwenzahnsendung? Abschalten!