Wörter werden gemeuchelt
Was das Aussterben von Wörtern über unseren Alltag und unsere Moral aussagt.
Berlin. Er führt einen ungewöhnlichen Kampf: Bodo Mrozek (38) will das Aussterben klangvoller alter Wörter verhindern. In einem Wettbewerb sammelte er schöne Exemplare, seine Jury wählte unter 3000 Einsendungen das "Kleinod" zum schönsten bedrohten Wort.
Herr Mrozek, was ist Ihr Lieblingswort unter den Bedrohten?
Mrozek: In meinem "Lexikon der bedrohten Wörter" habe ich 600 Wörter erklärt. Da fällt es schwer, einzelne zu bevorzugen. Es gibt Begriffe, deren Klang ich mag, etwa das Wort Labsal. Am meisten bedeuten mir die Wörter aus meiner eigenen Jugend, an denen persönliche Erinnerungen hängen. Wie zum Beispiel der Bandsalat bei Musikkassetten.
Warum sterben Wörter aus?
Mrozek: Manche Wörter verschwinden mit den Dingen, die sie bezeichnen, wie die Wählscheibe. Jugendliche, die mit Mobiltelefonen aufgewachsen sind, kennen das Wort nicht. Andere Wörter sterben an Altersschwäche oder werden von Neuwörtern gemeuchelt. So sind die Wörter "knorke" und "dufte" fast ausgestorben, wir finden die Dinge heute "cool".
Wie verschwinden Begriffe?
Mrozek: Ein gutes Anzeichen für das Veralten eines Wortes ist, wenn es sich auf der Zunge schon etwas sperrig anfühlt. Wörter wie Mitgift, Kranzgeld oder Verlobung hatten noch vor einer Generation eine ungeheure Bedeutung - heute spielen sie keine Rolle mehr. An solchen Beobachtungen kann man viel darüber erfahren, wie sich unsere Moral und unser Alltag verändern.
Derzeit wird diskutiert, ob man wie in Frankreich Verordnungen zum Schutz der Sprache vor ausländischen Einflüssen einführen soll. Was halten Sie davon?
Mrozek: Gar nichts. Sprache sucht sich ihre eigenen Wege und lässt sich nicht durch Gesetze kontrollieren. Außerdem wäre das Deutsche ohne ausländische Einflüsse viel ärmer.
Wie kommen Sie darauf?
Mrozek: Viele Menschen beklagen zum Beispiel, dass das alte Wort Backfisch vom englischen Begriff Teenager verdrängt würde. Tatsächlich stammt der Backfisch aber aus dem Anglerlatein der britischen Inseln. So bezeichnete man dort einen Fisch, der zu klein zum Essen war und vom Angler wieder "back", also zurück, ins Wasser geworfen wurde.
Was tun Sie noch gegen das Aussterben der Wörter?
Hitliste: Eine Jury mit Sprachexperten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz um den Autor des "Lexikons der bedrohten Wörter" hat folgende Liste der schönsten bedrohten Wörter aufgestellt: 1. Kleinod 2. blümerant 3. Dreikäsehoch 4. Labsal 5. bauchpinseln 6. Augenstern 7. fernmündlich 8. Lichtspielhaus 9. hold 10. Schlüpfer