Analyse Zugunglück bei Meerbusch: Fahrdienstleiter und Ersatzsignale im Fokus der Ermittlungen

Nach dem Zug-Drama in Osterath teilt die Bahn mit, dass die Ausbildung verkürzt sein könne — aber gewissenhaft sei.

Fataler Fehler: Offenbar hatte ein Fahrdienstleiter vor dem Unfall eine falscheInformation übermittelt.

Foto: Roland Weihrauch

Meerbusch/Düsseldorf. Die Züge sind abgeräumt, der hintere Teil des Regionalexpress 7, der am vergangenen Dienstagabend von Köln nach Krefeld fuhr und in Meerbusch-¬Osterath mit einem Güterzug kollidierte, wird derzeit in Neuss von der National Express Rail GmbH wiederhergestellt. Der vordere Zugteil scheint irreparabel beschädigt. Die Strecke ist bis zum Samstag aufgrund angekündigter Wartungsarbeiten gesperrt.

Was bleibt, sind die Fragen, wie es tatsächlich zu dem Aufsehen erregenden Unfall gekommen ist, bei dem mehr als 40 Menschen verletzt worden sind, von denen alle das Krankenhaus wieder verlassen haben. Nach Recherchen des „Kölner Stadtanzeiger“ habe der Fahrdienstleiter des Stellwerks in Meerbusch-Osterath seinem Kollegen an der Abzweigung Weißenberg eine falsche Information übermittelt: Der Gleisabschnitt, den der RE 7 befahren wollte, sei frei. Ein Irrtum: In diesem Abschnitt stand der Güterzug von DB Cargo, mit dem der RE dann kollidierte.

Schwerverletzte bei Zugunglück in Meerbusch
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Nach neueren Erkenntnissen hatte der Güterzug just die Fahrt aufgenommen. Der RE prallte also nicht auf ein stehendes Hindernis. Zuvor hatte der Fahrdienstleiter in Weißenberg offenbar dem RE die Freigabe erteilt, obwohl das Signal vor dem Personenzug weiter auf Rot stand. Eine Ausnahmesituation. Jetzt wird ermittelt, ob der Fahrer des RE anschließend zu schnell gefahren ist: erlaubt sind dann nur 40 km/h.

Die ermittelnde Bundesstelle für Eisenbahnunfall-Untersuchungen in Bonn will derzeit keinen Zwischenstand mitteilen. Den Verdacht, dass die Fahrdienstleiter über eine nur verkürzte Ausbildung verfügt hätten, leugnete die Bahn-Pressestelle am Montag nicht, stellte aber gegenüber unserer Zeitung fest: „DB betont, dass alle Fahrdienstleiter sehr gewissenhaft für diesen Beruf ausgebildet werden — egal ob über die klassische duale Berufsausbildung oder als so genannte ,Quereinsteiger’.“

Wegen des Personalmangels an Fachkräften führen zwei Wege zum Job des Fahrdienstleiters: eben die klassische Ausbildung („Eisenbahner im Betriebsdienst, Fachrichtung Fahrweg“, Dauer bis zu drei Jahren, Mindestvoraussetzung erfolgreicher Schulabschluss) oder der Quereinstieg: eine Funktionsausbildung, die nur zehn Monate dauert. Voraussetzung ist eine abgeschlossene, möglichst technische Berufsausbildung. Klar ist die Anforderung: Fahrdienstleiter müssen — so heißt es bei der Bahn — verantwortungsbewusst, zuverlässig und belastbar sein. Die Arbeit stelle besondere Anforderungen an die mentale und psycho-physische Leistungsfähigkeit. Es gibt Tauglichkeitsuntersuchungen, die sich alle fünf Jahre wiederholen und ab dem 40. Lebensjahr alle drei Jahre.

Zu den Fragen gehört auch, wie ein solcher Unfall künftig trotz menschlichen Versagens zu vermeiden ist. National Express sucht den Dialog über das sogenannte Ersatzsignal ZS1, das in diesem Fall wie schon beim Bahnunfall in Bad Aibling, bei dem im Februar 2016 zwölf Menschen ums Leben gekommen waren, als Zusatzsignal am Hauptsignal eine Rolle gespielt haben soll. Es signalisiert: „Am Signal Hp 0 oder am gestörten Lichthauptsignal ohne schriftlichen Befehl vorbeifahren.“

Inwiefern auch eine Rolle spielt, dass die „Endbeleuchtung“ von Güterzügen der Vorschrift gemäß allein aus Reflektoren besteht, anstatt aus einer elektrisch betriebenen Leuchte wie beim Personenzug, muss ebenfalls ermittelt werden. Klar ist: Der Lokführer des RE ist derzeit außer Dienst. „Er bekommt alle Zeit der Welt“, sagt Arbeitgeber National Express.