Zum Studium über die Grenze

Ausbildung: Die Unis in Maastricht und Venlo werden bei deutschen Studenten immer beliebter.

Maastricht/Venlo. Michael Jäger (25) war mal an der Uni Münster eingeschrieben, aber schon nach zwei Monaten so gefrustet, dass er sich nur noch aufs Partyleben konzentrierte. "Ich saß da in einem Seminar mit 150 Leuten und kannte niemanden. Außerdem war alles unheimlich bürokratisch organisiert." Inzwischen studiert er mit großer Begeisterung in der niederländischen Stadt Maastricht - so wie 3200andere Deutsche, das sind 25Prozent der Studenten. Auf der "Fontys Hochschule" der Grenzstadt Venlo sind die Niederländer bereits in der Minderheit: 1565 der 2580 Studenten kommen aus 40anderen Nationen, 1200 alleine aus Deutschland. Die Wirtschafts-Uni plant jetzt sogar den neuen Studiengang "Food and Flower Management" in deutscher Sprache.

"Hier musste ich nur zum Einschreibbüro gehen, einen Kaffee trinken und dabei ein Formular ausfüllen - das war alles", erzählt Michael. Genauso erging es Wiete Eichhorn (23) aus Hennef und Julia Langenohl (20) aus Wuppertal. "Ich dachte am Anfang immer: Wo ist hier der Haken? Aber da war keiner", sagt Wiete. Sie hatte zunächst in Bonn studiert und fühlte sich dort völlig verloren: "Ich hab wirklich geheult, so schlimm war das." Wenn sie etwas fragte, bekam sie unfreundliche Antworten. "Das ist mir hier in Maastricht noch nie passiert", sagt die junge Frau, die kurz vor dem Abschluss in "European Studies" steht.

Viele Fakultäten sind in ehemaligen Klöstern und Kirchen untergebracht, aber innen sieht alles hypermodern und pieksauber aus, die Arbeitsräume sind mit Laptops und Beamern ausgestattet, "und alles funktioniert - immer", wie Michael betont. Doch es ist keine Privat-Uni - die Studiengebühren sind niedriger als im benachbarten NRW. Dazu kommen garantierte Auslandsaufenthalte und Seminare mit höchstens 15 Teilnehmern.

Dabei steht kein Professor vorn und doziert, die Studenten lernen "problemorientiert": Das heißt, dass der Professor ihnen ein bestimmtes Problem, eine Aufgabe, eine Frage vorgibt und die Bearbeitung von der Gruppe gemeinsam vorgenommen wird. Das ist in allen Fächern so, ob in Medizin oder in International Business.

"So behält man die Sachen viel besser, weil man die Fachliteratur unter einem ganz bestimmten Gesichtspunkt durchforstet, immer auf der Suche nach Antworten", sagt Wiete. Gedankenaustausch und Zusammenarbeit mit Studenten aus einer Vielzahl von Ländern und Kulturen sind dabei ein Muss. "Manchmal sitzen wir hier mit neun Leuten aus acht Ländern am Tisch", sagt Michael. Alles läuft auf Englisch - Niederländisch muss man nicht lernen.

Vier Jahre lang hat Maike Schroers (24) an der "Fontys Internationale Hogeschool Economie" in Venlo studiert. Die Mönchengladbacherin ist begeistert von dem niederländischen System: "Das gibt es bei uns in Deutschland noch nicht." Alle zwei Monate gebe es Prüfungen. "Das ist effektiv und man verplempert keine Zeit", meint die Studentin. Der Campus am Hulsterweg in Venlo ist nur zwei Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Viele Studenten aus NRW kommen täglich mit dem Auto, andere wohnen auf deutscher Seite in Kaldenkirchen und radeln zur Uni. Die Gemeinde hat reagiert und baut jetzt sogar ein Wohnheim.

Der Maastrichter Uni-Chef Jo Ritzen, der in den 90er Jahren als Bildungsminister unter Regierungschef Wim Kok tiefgreifende Hochschulreformen durchgesetzt hat, berichtet, dass Konzerne Schlange stehen, um die Studenten aus Maastricht zu übernehmen. "Die sagen: Was ihr hier gemacht habt, diese problemorientierte Gruppenarbeit der unterschiedlichsten Menschen, das ist genau das, was wir bei uns auch machen."

Nach der Abiturnote fragt in Maastricht oder Venlo übrigens niemand. "Numerus clausus gibt’s in den Niederlanden nicht", sagt Fontys-Marketing-Chefin Susanne Riemer. "Jeder, der studieren möchte, muss dies auch können. So ist die Rechtslage." In vielen Fächern kann man sich einfach so einschreiben, in anderen muss man eine Art Bewerbungsgespräch führen. "Aber im ersten Jahr wird dann gesiebt", sagt Studentin Julia. "Die Prüfungen sind sehr schwer - nur die Besten schaffen das."