Analyse Abschiebe-Eklat um Sami A.: Debatte beendet — oder doch nicht?

Ministerpräsident Laschet (CDU) kritisiert Innenminister Seehofer (CSU) und Außenminister Maas (SPD) in der Affäre Sami A. Dann wird Seehofer endlich aktiv. Debatte beendet?

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Düsseldorf/Berlin. In Düsseldorf atmet Armin Laschet tief durch. Die Fragen nach Horst Seehofer und dessen Bemühen im Fall Sami A. hört er nicht das erste Mal. Aber sie kommt erneut. 2017 hat Seehofer den Wahlkämpfer Laschet unterstützt, als er für einige Wahlkampfauftritte nach NRW gekommen war.

Es ging seinerzeit darum, den Kraft-Herausforderer Laschet als hart und kantig zu profilieren, ihm den Weichzeichner zu nehmen. Seehofer schien ein gutes Vorbild. Alles geregelt in Bayern: Innere Sicherheit, Wirtschaft, Bildung. Erfolgreich können die. So wollte Laschet nach seiner Wahl auch NRW bauen.

Deutlich mehr als ein Jahr später ist Laschets Regierung im Fall des mutmaßlichen Gefährders Sami A. und dessen unrechtmäßiger Abschiebung auf eben jenen Seehofer, der inzwischen Bundesinnenminister ist, angewiesen.

Der Note, die das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen für den Beweis der Unversehrtheit von Sami A. sehen will, läuft Laschets Regierung schon seit Wochen hinterher. Oder vielmehr der Bundesregierung, die zuständig ist. Eine solche Zusicherung wäre die Voraussetzung dafür, dass die Justiz eine Abschiebung des Tunesiers akzeptiert.

„Ich hätte mir vom Außen- wie vom Innenminister das Bemühen früher und intensiver gewünscht“, sagt Laschet auf der fast zweistündigen Pressekonferenz am Ende der parlamentarischen Sommerpause in NRW. „Beide hätten etwas klarer kämpfen können.“

Den Behauptungen der Anwälte von Sami A., der 42-Jährige sei in Tunesien mit Schlafentzug und Schlägen gefoltert worden, schenkt Laschet keinen Glauben. Er habe, sagt der Ministerpräsident, dafür keine Hinweise. Angesichts der im Internet von Sami A. kursierenden Bilder könne man diesen Eindruck nicht haben, im Übrigen gelte die Einschätzung des Auswärtigen Amtes. Punkt.

Unverkennbar, dass Laschet die Affäre für beendet erklären will. Nun werde die höchstrichterliche Entscheidung zur Rückholung auch umgesetzt. Das gehöre auch zur Rechtsstaatskultur. „Ich halte es für überzogen, jetzt den Rechtsstaat in Gefahr zu sehen“, sagt Laschet. „Für mich ist die Debatte beendet.“ Von den Oppositionsparteien kam dazu am Donnerstag kein Widerspruch mehr, an diesem Freitag will sich SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty äußern.

Nicht beendet, dafür aber um eine Wendung reicher ist die seit Wochen anhaltende Debatte um die Ruhrtriennale, das internationale Kunstfestival im Ruhrgebiet. Nach dem Eklat um die Einladung einer israelkritischen Band lässt Laschet die Zukunft von Intendantin Stefanie Carp noch offen.

„Kunstfreiheit ist ein hohes Gut, aber die hat eine bestimmte Grenze“, sagt Laschet. Er überlasse es NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos), „kluge Lösungen für eine starke Ruhrtriennale in der Zukunft zu entwickeln“. Die 62 Jahre alte Hamburgerin Carp war gleich im ersten Jahr ihrer dreijährigen Ruhrtriennale-Intendanz politisch unter Druck geraten, weil sie die Band Young Fathers eingeladen hatte, die die israelkritische Boykott-Kampagne BDS unterstützt.

Carp hatte die Gruppe zum Festival erst ein-, dann aus- und zuletzt wieder eingeladen. Die Gruppe sagte schließlich von sich aus ab, Laschet hatte daraufhin den traditionellen Empfang des Ministerpräsidenten zum Auftakt der Triennale und seine Teilnahme an der Premiere abgesagt. Das Land NRW ist Mitbegründer und wichtiger Geldgeber des Kulturfestivals.

Es sind einige Baustellen abzubauen: Schon an diesem Freitag will Laschet auf einer auswärtigen Kabinettssitzung in Essen neue Details zur Ruhrkonferenz, die für einen neuen Aufbruch im geplagten Revier sorgen soll, bekannt geben. Auf der Pressekonferenz kündigt Laschet an, für die Ruhrkonferenz in Zuständigkeit von Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner einen Beirat zu schaffen, in dem die DGB-Landeschefin Anja Weber, Unternehmerpräsident Arndt Kirchhoff und Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck sitzen werden. Die Rollenverteilung lehnt sich an das historische Vorbild der „Montankonferenz“ von 1988 im Bonner Kanzleramt an. Seinerzeit mit Kanzler Helmut Kohl, Johannes Rau, Ruhrbischof Franz Hengsbach und Manager Alfred Herrhausen.