Ägypten: El Baradei fordert Mubarak heraus
Kairo (dpa) - Der Druck auf Ägyptens Präsident Husni Mubarak wächst. Während sich die Proteste gegen das autoritäre Regime im ganzen Land ausweiten, traf Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei am Donnerstagabend in Kairo ein.
Der frühere Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, der sich an die Spitze der Protestbewegung stellen will, bot sich als Chef einer Übergangsregierung an. Ägypten stehe an einem Scheideweg, sagte der 68-Jährige. Die Opposition hat für diesen Freitag zu Massenkundgebungen in Kairo und anderen Städten aufgerufen.
Bei seiner Ankunft in Kairo äußerte sich El Baradei zunächst nicht näher zu seinen Plänen. „Es ist ein Prozess“, sagte er lediglich. Mit Blick auf die Staatsführung betonte der Diplomat: „Eine Hand ist ausgestreckt, aber die Führung muss verstehen, dass Wandel absolut notwendig ist.“ Es gebe keinen Weg zurück. Nach Angaben des TV-Senders Al Arabiya erklärte sich der 68-Jährige bereit, eine Übergangsregierung zu führen, falls er darum gebeten werde.
Die Opposition hat für diesen Freitag zu Massenkundgebungen in Kairo und anderen Städten aufgerufen. Seit Beginn der Proteste am Dienstag - den größten seit der Machtübernahme von Mubarak vor 30 Jahren - gab es mindestens sieben Tote, etwa 1000 Menschen wurden festgenommen. El Baradei, der in Begleitung seiner Ehefrau aus Wien kam, sagte, er hoffe auf einen friedlichen Machtwechsel in Ägypten. Anders als bei seiner Rückkehr im Februar vergangenen Jahres wurde er diesmal nur von Reportern empfangen. Damals hatten ihn auch Hunderte von Regimekritikern erwartet.
In Kairo sorgten am Donnerstag Gerüchte für Aufregung, Präsidentensohn Gamal Mubarak habe sich mit Frau und Kind nach London abgesetzt - die aber von Mubaraks Nationaldemokratischen Partei (NDP) umgehend dementiert wurden. Die Regierung von Husni Mubarak hüllte sich weiter in Schweigen. Mubarak hat sich seit Beginn der Proteste am Dienstag nicht öffentlich gezeigt. Am Samstag soll er in Kairo die Internationale Buchmesse eröffnen.
Das einzige Zugeständnis war am Donnerstag eine Meldung der staatlichen Medien, wonach das Parlament am kommenden Sonntag über Maßnahmen zur Armutsbekämpfung, eine Anhebung des staatlichen Mindestlohnes und eine bessere Gesundheitsversorgung debattieren soll. An der Börse in Kairo stürzten die Kurse nach den jüngsten Kundgebungen so stark ab, dass der Handel für zwei Stunden ausgesetzt wurde.
Trotz des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte weiteten sich die Proteste aus. Bei nächtlichen Ausschreitungen wurden in Kairo und auf dem Sinai mindestens zwei Menschen getötet und Dutzende verletzt. Vor dem Außenministerium in Kairo skandierten Demonstranten Slogans gegen die Regierung. In den Städten Ismailija und Suez kam es zu heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei.
Mehrere Protestgruppen haben für diesen Freitag zu neuen Massenkundgebungen aufgerufen. Sie forderten die Bürger auf, nach dem Freitagsgebet von den Moscheen aus loszumarschieren. Die Christen sollten nach dem Kirchgang auf die Straße gehen. Sicherheitskräfte sollen für Freitagmittag Gebete in den meisten Moscheen im Zentrum von Kairo sowie in größeren Moscheen im Land verboten haben, um Versammlungen von Demonstranten zu verhindern, berichtete die Website Akher al-Akhbar. Am Donnerstag sorgten massive Polizeikräfte für gespenstische Ruhe im Zentrum von Kairo.
US-Außenministerin Hillary Clinton rief am Mittwochabend zu Reformen in dem bevölkerungsreichsten arabischen Land auf. Zugleich appellierte sie an die Behörden, friedliche Demonstrationen und den Zugang zu sozialen Netzwerken und Informationsdiensten wie Facebook oder Twitter zuzulassen.
Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton verlangte ein Ende der Gewalt gegen die Demonstranten. „Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind elementare Rechte eines jeden Menschen“, erklärte sie in Brüssel. Bundesaußenminister Guido Westerwelle warnte im Bundestag, wer gegen die eigenen Bürger so vorgehe, fördere nur den Islamismus und eine weitere Radikalisierung.
Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) schließt eine Kürzung der Entwicklungshilfe für Ägypten derzeit aus. „Es gibt Länder, wo die Demokratie-Defizite noch schwieriger sind“, sagte Niebel zu Spiegel TV. Es sei hilfreich, im Gespräch zu bleiben. Dauerhaft werde man stabile Verhältnisse nur in einem demokratischen System herstellen können. Deutschland ist nach den USA der größte Geber Ägyptens.
In Jemens Hauptstadt Sanaa demonstrierten am Donnerstag Tausende Oppositionelle gegen die Politik von Präsident Ali Abdullah Salih. Bei einer Protestversammlung in der Nähe der Universität forderten rund 10 000 Demonstranten den Präsidenten zum Rücktritt auf. Auch in Tunesien dauern die Proteste gegen die Anhänger des gestürzten Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali in der Übergangsregierung an. In Jordanien wollen Oppositionsparteien, Gewerkschaften und andere Gruppen nach dem Freitagsgebet zu Demonstrationen aufrufen, um Reformen zu fordern.