Ägypten: Frauen fürchten um ihre Rechte
Ägyptens Islamisten gewinnen an Einfluss.
Istanbul/Kairo. Mit Scheren bewaffnete Frauen versammelten sich auf dem Tahrirplatz in Kairo, um ihren Unmut kundzutun. Dort, wo die ägyptischen Massen während des Arabischen Frühlings den Abtritt Husni Mubaraks erzwangen, protestierten sie nun gegen die von Präsident Mohammed Mursi durchgeboxte Verfassung der Islamisten. Dutzende schnitten sich als Zeichen für den drohenden Verlust ihrer Freiheitsrechte die Haare ab.
Ab sofort gilt ein neues Grundgesetz, mit dem Islam-Gelehrte mehr Einfluss auf Staat und Gesellschaft bekommen. Eine Mehrheit von 63,8 Prozent sagte laut den Mittwoch veröffentlichten Ergebnissen des Verfassungsreferendums dazu Ja. Liberale, Linke, Christen und viele Frauen befürchten eine strengere Auslegung der Scharia. Die Frustration wächst: Hatte sich zur Parlamentswahl und zur Präsidentschaftswahl noch die Hälfte der rund 50 Millionen Wahlberechtigten auf den Weg zur Urne gemacht, war es jetzt jeder Dritte.
Innerhalb von zwei Monaten steht nun eine weitere Stimmabgabe an. Da das Parlament im Sommer aufgelöst wurde, muss ein neues Unterhaus gewählt werden. Mittwoch übernahm vorübergehend das ägyptische Oberhaus, der Schura-Rat, die parlamentarischen Befugnisse.
Ein Gericht hatte die Parlamentswahl für ungültig erklärt, weil sich Parteimitglieder um Direktmandate beworben hatten, die für unabhängige Kandidaten reserviert waren. Beobachter rechnen bei der Wahl mit einer noch geringeren Beteiligung und einem Dämpfer für die regierende Muslimbruderschaft.
Mursi hat bislang zu viele Probleme und zu wenige Lösungen vorzuweisen. Die Einnahmen aus dem Tourismus und die ausländischen Direktinvestitionen sind seit dem Umbruch im Februar 2011 stark zurückgegangen. Rating-Agenturen haben Ägypten herabgestuft, die Einnahmen am Suezkanal gehen zurück — eine der wichtigsten Geldquellen.
Solange es kein arbeitsfähiges Parlament gibt, können auch Reformen nicht umgesetzt werden. Die Regierung will etwa mit der Kürzung der Energiesubventionen Geld in die leeren Kassen spülen. Was wiederum zu neuen Protesten führen dürfte.
Zudem hat sich die Sicherheitslage seit dem Sturz Mubaraks verschlechtert. Auf der Sinai-Halbinsel haben sich trotz mehrerer Militäroperationen islamistische Milizen und Schmugglerbanden stationiert. Und die Islamisten sehen sich bei der Parlamentswahl mit einer stärkeren Konkurrenz konfrontiert. Die vormals zerstrittene Opposition arbeitet nun zusammen.