Afghanistan: Der unausgesprochene Krieg

Warum Minister Jung das kompromisslose Wort meidet.

Berlin. Lange Zeit wagte es kaum ein Politiker der Großen Koalition, die Mission der Bundeswehr in Afghanistan als "Kampfeinsatz" zu bezeichnen. Wiederaufbau und Stabilisierung waren die Umschreibungen, mit denen die Bundesregierung den Auslandseinsatz verteidigte, für den die Akzeptanz in der Öffentlichkeit immer weiter schwindet.

Wenn aber Soldaten "fallen", wie Verteidigungsminister Franz Josef Jung inzwischen militärisch formuliert, dann kann man den Kampfeinsatz nicht mehr leugnen. Und wenn man den Kampfeinsatz nicht mehr leugnen kann, dann drängt sich das Wort "Krieg" in die Debatte.

Am Donnerstag erwiesen Angehörige, Bundeswehr und Politiker den drei in Afghanistan getöteten jungen Soldaten in Bad Salzungen die letzte Ehre. "Sie waren gute Soldaten und echte Patrioten", sagte Jung während des Traueraktes und verteidigte den Einsatz: "Wir sind in Afghanistan, weil wir die Sicherheit der Bürger Deutschlands schützen." Diejenigen, die an Rückzug dächten, würden Afghanistan wieder in die Hände der Taliban geben.

Dies könnte auch durch Begriffe begünstigt werden, wie der Verteidigungsminister befürchtet. Deshalb wendet er sich vehement gegen den Begriff "Krieg". Es sei unverantwortlich, darüber zu diskutieren, ob deutsche Soldaten sich in einem Krieg befänden. "Wir führen dort einen Stabilisierungseinsatz aus und es ist wahr, wir sind in Kampfsituationen, insofern ist das auch ein Kampfeinsatz."

Wer aber von Krieg spreche, stärke die Taliban. "Die wollen genau, dass wir von Krieg sprechen. Dann sind sie nämlich Kombattanten und können auch berechtigterweise auf uns schießen." Auch wenn Jung theoretisch Recht haben mag, werden die Taliban kaum nach einer Berechtigung fragen. Er will vor allem verhindern, dass sich in der deutschen Bevölkerung der Gedanke festsetzt, Deutschland führe Krieg. Aktuelle Nachrichten und Bilder aus Afghanistan jedoch erschweren es Jung, überzeugend zu argumentieren.

Um die gezielte Vermeidung des Wortes "Krieg" kreisen inzwischen auch Diskussionen über die mangelhafte Ausstattung der deutschen Soldaten. Dünnhäutig reagierte der Verteidigungsminister auf die Kritik des früheren Generalinspekteurs der Bundeswehr, Harald Kujat, der Jung eine "Beschwichtigungssemantik" vorgeworfen hatte.

Kujat unterstellte, die Bundeswehr halte sich mit dem Einsatz schwerer Waffen in Afghanistan zurück, um nicht den Eindruck von Krieg zu erwecken. "Ich halte die Aussagen von Herrn Kujat für unverantwortlich" sagte Jung. Die deutschen Soldaten seien gut ausgebildet und gut ausgerüstet. "Sie bekommen genau das, was sie für ihren Einsatz brauchen."