Reform Ampel-Fraktionen kommen Union mit Kompromiss zu Bürgergeld entgegen

Berlin · Die Sorge vor einer Schlappe im Bundesrat ist groß: Um eine Blockade des Bürgergelds zu verhindern, einigen sich die Regierungsfraktionen auf Änderungen am ursprünglichen Entwurf – unter anderem bei der geplanten Karenzzeit.

Das Bürgergeld soll im Januar kommen - doch die Union droht sich gegen die Einführung zu stellen. Die Ampel-Fraktionen kommen ihr entgegen.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Die Ampel-Fraktionen haben sich auf Änderungen am ab Januar geplanten Bürgergeld geeinigt. Wie aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Formulierungshilfe an die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hervorgeht, soll es unter anderem bei der zweijährigen Karenzzeit für Leistungsempfänger einige Verschärfungen geben. Vorgesehen ist etwa, dass die Heizkosten während dieser Zeit nur noch in angemessener Höhe übernommen werden sollen. Der ursprüngliche Regierungsentwurf sah an dieser Stelle kein Limit für die Kostenübernahme vor. Das hat unter anderem die Union scharf kritisiert, die auch wegen anderer Kritikpunkte mit einer Blockade der Sozialreform im Bundesrat gedroht hatte.

„Wir haben schnell auf die Forderungen des Bundesrats reagiert und werden im Bundestag noch zahlreiche Änderungen vornehmen, die auch den Wünschen der Länder entsprechen“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Die Erstattung der Heizkosten wird beispielsweise auf Angemessenheit
überprüft, um keine falschen Anreize zu setzen. Und die Jobcenter haben stärkere Möglichkeiten gegen Leistungsmissbrauch vorzugehen.“ Damit komme die Ampel den Forderungen der Union entgegen.

Das Bürgergeld soll nach den Plänen der Bundesregierung zum 1. Januar die bisherige Grundsicherung Hartz IV ablösen. Ziel ist es, Betroffene in die Lage zu versetzen, sich stärker auf Weiterbildung und Arbeitssuche konzentrieren zu können. Sie sollen dafür vom Jobcenter weniger unter Druck gesetzt werden. Die Regelsätze der Grundsicherung sollen zudem um rund 50 Euro pro Monat steigen. Heil hatte die Reform als „eine der größten Sozialreformen seit 20 Jahren“ bezeichnet.

Die nun vorgeschlagenen Änderungen bei der Karenzzeit sehen beispielsweise auch vor, dass Leistungsempfänger während dieser Zeit nur dann in eine teurere Wohnung umziehen dürfen, wenn das Jobcenter dies zuvor genehmigt. Ursprünglich war hier keine vorherige Genehmigung vorgesehen. Auch bei der Anrechnung der Karenzzeit soll sich etwas ändern: So soll auch das Jahr 2022 bei der Berechnung der Karenzzeit angesetzt werden dürfen. „Das bedeutet, dass die Karenzzeit in Fällen, in denen seit dem 1. Januar 2022 ununterbrochen Leistungen bezogen wurden, am 31. Dezember 2023 endet“, heißt es in dem Entwurf. Auch in diesem Punkt hatten die Länder zuvor vor Missbrauch gewarnt und kritisiert, dass die Karenzzeit erst ab Januar 2023 gelten sollte - und damit in einigen Fällen sogar länger als zwei Jahre ausgefallen wäre.

Neu ist auch, dass Leistungsempfänger künftig neben der Erklärung, kein erhebliches Vermögen zu haben, auch noch zusätzlich eine Selbstauskunft beifügen müssen. Auch so soll Leistungsmissbrauch vorgebeugt werden. Die Bundesagentur für Arbeit, die die Reform in kürzester Zeit umsetzen soll, erhält zudem großzügigere Übergangsfristen.

Der Kompromissvorschlag soll nach dpa-Informationen am Dienstag von den Fraktionen gebilligt werden. Am kommenden Donnerstag will sich der Bundestag in zweiter und dritter Lesung mit der Reform befassen.

Dass Bürgergeld-Empfänger Heizkosten künftig nur noch dann voll geltend machen können, wenn diese angemessen sind, nannte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Johannes Vogel „eine selbstverständliche Frage der Fairness“. Im Fokus der Bürgergeld-Reform stehe das Ziel, „dass sich Anstrengung stärker als bisher lohnt“, sagte Vogel der dpa. Viele öffentliche Behauptungen im Zusammenhang mit der Reform, etwa der Eindruck, es gebe nun Sanktionsfreiheit für Leistungsbezieher, bezeichnete Vogel als „Fake News“.

Auch sein Parteikollege und Fraktionssprecher für Bürgergeld, Jens Teutrine, verteidigte den Kompromiss. Insbesondere mit der Heizkostenregelung streckten die Ampel-Fraktionen den CDU-geführten Ländern eine Hand aus, „die der Bundesrat annehmen sollte“, sagte Teutrine der dpa. Die nächste Sitzung des Bundesrats ist für den 25. November angesetzt.

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch rief die Union auf, ihre Blockade des Bürgergeld-Gesetzes aufzugeben und „Falschaussagen einzustellen“. Die Ampelfraktionen hätten mit ihrer jetzigen Überarbeitung „sachliche Kritikpunkte der Union aufgegriffen“. Auch sie trage eine Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Reform zum 1. Januar in Kraft treten könne. Alles Andere würde für die Jobcenter „Chaos“ bedeuten, sagte Audretsch.

(dpa)