Analyse: Amerikas Angst vor einem Machtvakuum in der Fatah

Der Präsident der Palästinenser, Mahmud Abbas, will nicht mehr für das Amt kandidieren.

Ramallah. "Das ist kein Manöver", beteuerte Mahmud Abbas am Donnerstagabend während seiner TV-Ansprache, in der er seinen Landsleuten erklärte, aus Verärgerung über den Wortbruch der USA in der Siedlungsfrage nicht erneut für die Präsidentschaft der palästinensischen Autonomiebehörde kandidieren zu wollen. Und seither wird in Ramallah, Tel Aviv und Washington spekuliert, wie ernst es dem Fatah-Chef (74) mit dieser Ankündigung tatsächlich ist. Ist es der endgültige Rückzug? Oder doch nur das Ausspielen seines letzten Trumpfs, um die USA zu einer Revision zu zwingen und sich dann erneut von seinen Anhängern zur Kandidatur "bitten" zu lassen?

Der Schachzug bringt vor allem Washington in Schwierigkeiten. Mit Abbas verlieren die USA und Israel den einzigen palästinensischen Ansprechpartner, mit dem sich zumindest die Illusion eines "Friedensprozesses" inszenieren ließ. Allerdings brachte Abbas die jüngsten Entwicklungen immer mehr in eine Position, in der er vielen nur noch als Marionette erscheinen musste. Hatte US-Präsident Obama zuerst den Stopp des Siedlungsausbaus zur Vorbedingung für Friedensgespräche gemacht, schwenkte seine Außenministerin Hillary Clinton jetzt wieder auf die israelische Position um. "Wir sind kürzlich überrascht worden, die USA an der Seite Israels zu sehen", erklärte Abbas in seiner TV-Ansprache. Tatsächlich aber dürfte genau das die wenigsten Palästinenser "überrascht" haben.

Der Rückzug von Abbas ist wohl der Versuch, ohne Gesichtsverlust aus der unangenehmen Situation herauszukommen. Denn er hatte schon zuvor fast jeden Kredit unter der palästinensischen Bevölkerung verspielt. In Umfragen liegt Abbas, der noch immer vom Renommee zehrt, zu den engsten Arafat-Mitkämpfern zu zählen, deutlich hinter dem Hamas-Premier Hanija.

Das Problem ist, dass in der Fatah kein Nachfolger bereitsteht, der im Volk auch nur den Hauch einer Chance hätte, sieht man von Marwan Barguti ab, der aber in israelischer Haft sitzt. Da aber derzeit weder Washington noch die Fatah das Risiko einer tatsächlich freien Wahl eingehen werden, zielt Abbas’ Manöver wohl eher auf eine Bestätigung seiner Präsidentschaft, die schon im Januar abgelaufen war. Denn an einem gefährlichen Machtvakuum hat im Westen niemand ein Interesse.