Analyse: Atomkonzerne lassen ihre Muskeln spielen
2,3 Milliarden Brennelementesteuer– darauf reagieren die Betreiber mit der Drohung, Reaktoren vom Netz zu nehmen.
Berlin. Die Strom-Bosse machen es wie einst die Siedler im Wilden Westen: Eine Wagenburg bilden, sobald die Indianer angreifen. Heutzutage sind es die Gegner längerer Kernkraft-Laufzeiten, die es in Schach zu halten gilt.
So präsentierten sich jetzt die vier Herren über Deutschlands Atommeiler Seite an Seite in der "Bild". Ihre Botschaft: Atomstrom ist sicher, billig und umweltfreundlich. Deshalb müssten die Kraftwerke 15 Jahre länger am Netz bleiben - mindestens.
Kein Wort verloren die Chefs von Eon, RWE, EnBW und Vattenfall dagegen über die kolportierte Drohung aus ihren Reihen, aus dem lukrativen Milliardengeschäft Kernenergie auszusteigen, falls die Koalition an ihrer geplanten Brennelementesteuer festhält.
Experten sehen darin ohnehin nur ein Ablenkungsmanöver der Konzerne, um die Atomgegner in Politik und Öffentlichkeit in die Defensive zu bringen. Denn würden die Unternehmen ihre längst abgeschriebenen Geldmaschinen wirklich von einen Tag auf den anderen abschalten, nur weil eine Steuer von 2,3 Milliarden Euro pro Jahr und moderat verschärfte Sicherheitsanforderungen drohen? Was würden dazu die Aktionäre sagen, denen das Betriebsvermögen gehört?
Längst deutet einiges darauf hin, dass hinter den Kulissen die Unterhändler des Finanzministeriums und die Atommanager nicht mehr weit auseinanderliegen. In Berlin kursieren Entwürfe für einen milliardenschweren Vertrag, mit dem die Stromindustrie die Koalition ködert.
Schwarz-Gelb soll dafür die Brennelementesteuer opfern. Dahinter steckt die Furcht der Branche, dass SPD und Grüne dieses Instrument nach einem Wahlsieg in drei Jahren nutzen könnten, um die Atombetreiber stärker zur Kasse zu bitten. Als Gegenleistung für den Steuer-Verzicht wollen die Konzerne die Hälfte der erwarteten Zusatzgewinne aus längeren Laufzeiten abgeben.
Aber natürlich haben die Konzerne nichts zu verschenken. Sie pochen darauf, dass sie ihre Milliardenschecks als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen können. Zudem sollen Sicherheitsanforderungen für viele Jahre festgeschrieben werden.
Die Opposition vermutet, dass es beim Energiekonzept von Union und FDP nicht mit rechten Dingen zugeht. Dazu passe auch der Koalitionsplan, längere Laufzeiten ohne den Bundesrat durchzuboxen. In diesem Fall wollen SPD und Grüne vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.