Analyse: Das Schicksalsjahr der Bundeskanzlerin
Angela Merkel ist aus dem Urlaub zurück – tatsächlich braucht sie viel Kraft, um die Regierung aus ihrer Krise zu führen.
Berlin. Die meisten Arien kennt die Kanzlerin schon. Die auf dem "Grünen Hügel" bei den Bayreuther Festspielen, deren Stammgast Angela Merkel im Urlaub ist, begeistern sie immer wieder aufs Neue. Bei Solisten-Auftritten von Bundesministern und Koalitionären in der Sommerpause ist das wohl anders. Wenn die CDU- Chefin am Montag an den Schreibtisch zurückkehrt, wartet ein Berg von Arbeit auf sie. Mit Partei und Regierung muss sie Weichen stellen, auch für ihre eigene politische Zukunft. Erstmals in fünf Jahren Kanzlerschaft wird über die Zeit nach ihr geredet.
Ganz oben auf der Liste steht die Wehrpflicht. Noch 2009 im Bundestagswahlkampf hatte sich die Kanzlerin beim öffentlichen Gelöbnis zum 20. Juli klar zu dem Pflichtdienst bekannt. Kaum jemand dürfte damit gerechnet haben, dass dieses Markenzeichen der Union schon ein Jahr später in Frage gestellt wird. Dabei wissen auch viele Mitglieder von CDU und CSU, dass die Wehrgerechtigkeit bei immer weniger eingezogenen Männern kaum Bestand haben kann.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat mit seinen Plänen zur Abkehr von der Wehrpflicht nun eine Revolution eingeläutet. Versteht man interne Signale der Kanzlerin richtig, wird sie ihn nicht bremsen. Damit könnte auf dem CDU-Bundesparteitag im November die Wehrpflicht mit ihrer mehr als 50-jährigen Tradition gekippt werden.
Merkel hat seit Jahren keinen richtigen Urlaub mehr gehabt. Ihren Urlaub im April hatte sie für die Trauerfeier von in Afghanistan getöteten Bundeswehrsoldaten abgebrochen. Nicht einmal wichtige Auslandsreisen konnte sie in Ruhe zu Ende bringen.
Und dann sind da noch die neuen Personalprobleme: So verkündeten jüngst Hessens Ministerpräsident Roland Koch und Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (beide CDU) den Rückzug.
Die Anstrengungen haben sich in ihrem Gesicht niedergeschlagen, sagen Menschen, die sie aus der Nähe kennen. Selbst über das Fernsehen wirke sie müde. Merkel ist aber ein Mensch, der sich in kurzer Zeit erholen kann. Und amtsmüde ist sie nicht.