Analyse: Der Londoner Poker mit vielen Unbekannten

Das britische Wahlsystem ist kompliziert. Am Donnerstag könnte die Stunde der Kleinen schlagen.

London. In der Regel sorgtdas Mehrheitswahlrecht in Großbritannien für klare Verhältnisse. Dochdiesmal liefern sich die Parteien ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Dann kommt es zu einem sogenannten "hung parliament", einemParlament mit unklaren Mehrheitsverhältnissen. Das bedeutet, dass sicheine der großen Parteien - also die Tories oder Labour- mit einerkleineren Partei zusammentun muss, um mehr als die Hälfte der 650 Sitzezu erringen.

Wenn die konservativen Tories stärkste Partei werden, die absoluteMehrheit aber verfehlen, dann können sie sich von kleineren Gruppen wieder nordirischen DUP und von unabhängigen Abgeordneten tolerierenlassen. Verfehlen die Tories allerdings mit weitem Abstand die absoluteMehrheit, sind sie auf die größeren Liberaldemokraten angewiesen, diedritte Kraft.

Es gilt als nahezu ausgeschlossen, dass Labour wieder stärkstePartei wird. Aber Gordon Brown bleibt bei einem "hung parliament" ersteinmal im Amt und kann versuchen, eine Koalitionsregierung zu bilden.Auch Labour braucht dazu vermutlich die Liberaldemokraten, die diesesMal wahrscheinlich besonders stark abschneiden.

Der Partei geht es vor allem darum, eine Reform des Wahlrechtsdurchzusetzen - denn das benachteiligt kleine Parteien gewaltig.Parteichef Nick Clegg hat sich zwar auf keine Partei festgelegt. Aberer hat angedeutet, dass er nicht mit Labour koalieren will, wenn dienur dritte Kraft wird.

Seit dem Zweiten Weltkrieg nur einmal: 1974. Damals wollten dieTories eine Koalition mit den Liberalen, doch die weigerten sich.Darauf bildete Labour eine Minderheitsregierung. Diese hielt jedochnicht lange, und es musste im selben Jahr noch einmal gewählt werden.

Das liegt am Wahlsystem. Denn beim britischen Mehrheitswahlrechtkommt nur ein Kandidat pro Wahlkreis ins Parlament - der mit denmeisten Stimmen. Das heißt, die Stimmen für seine Konkurrentenverfallen.