Washington. Das klare Urteil des Obersten Gerichtshofs hat viele Amerikaner überrascht. Auf Guantánamo Bay inhaftierte Terrorverdächtige haben künftig Zugang zu amerikanischen Bundesgerichten. Während Bürgerrechtsorganisationen jubeln, spricht die Regierung von Präsident George W. Bush von einem schweren Rückschlag im Kampf gegen den Terrorismus.
Die meisten der noch 270 Insassen werden seit mehr als sechs Jahren in dem in den USA als "Gitmo" bekannten Gefängnis festgehalten. Viele sind bis heute weder angeklagt noch mit irgendwelchen Beweisen konfrontiert worden. 37 Häftlinge, die von niedrigeren Gerichtsinstanzen abgewiesen worden waren, hatten sich daraufhin an das höchste Gericht der USA gewandt. Ihr Erfolg öffnet auch den übrigen Häftlingen Tür und Tor für neue Gerichtsverfahren.
Kritiker des Weißen Hauses weisen allerdings darauf hin, dass das Hohe Gericht bereits drei Mal die Behandlung der Häftlinge in dem Militärlager für rechtswidrig erklärt hatte, da sie deren Rechte nach der Genfer Konvention verletze.
Das Weiße Haus fand aber immer wieder einen Weg, die Urteile zu umgehen. Als beispielsweise entschieden wurde, dass die Terrorverdächtigen das Recht hätten, von einem Gericht gehört zu werden, wurden jene umstrittenen Militärtribunale eingerichtet, die nach Ansicht unabhängiger Beobachter nur Marionetten-Gerichte sind.
Zudem ließ Bush, als die Republikaner im Kongress noch Mehrheiten besaßen, Gesetze verabschieden, mit denen er sich über den Obersten Gerichtshof hinwegsetzen konnte.
Diesmal, so glauben Rechtsexperten, sind die Karten aber neu gemischt. Zum einen besitzen die Demokraten seit Anfang 2007 in beiden Kongresskammern die Mehrheit und sind keineswegs geneigt, dem Weißen Haus entgegenzukommen.
Zum anderen stützt sich der Gerichtshof im jüngsten Urteil konkret auf die amerikanische Verfassung, die jedem Gefangenen das Recht gibt, vor einem unabhängigen Richter seine Unschuld zu beweisen. Da sich das Urteil also auf die Verfassung beruft, kann die Entscheidung nicht durch ein einfaches Gesetz wieder auf den Kopf gestellt werden.
Der nächste Präsident, egal ob er Barack Obama oder John McCain heißt, wird abschließend über die Zukunft des umstrittenen Gefangenenlagers entscheiden müssen. Wahrscheinlich sind die Tage von "Gitmo" auf Kuba gezählt - so oder so.