Die Macht der Gerüchteküche

Den Gegnern der Verfassung gelang es, die Iren mit düsteren Vorhersagen zu verunsichern.

Dublin. Ob es am Datum, am Wetter oder an mangelnder Aufklärung lag: Die Ratlosigkeit und das Entsetzen stand der politischen Elite Irlands am gestrigen Freitag, den 13., ins Gesicht geschrieben. Wochenlang hatten Politiker quer durch die Bank für ein Ja zum EU-Reformvertrag getrommelt. Doch am Ende brachte ihnen das Volk eine der schwersten Niederlagen in der Geschichte des Landes bei.

Weniger als drei Millionen Iren stürzten damit auch die EU und ihre fast 500 Millionen Einwohner mit dem deutlichen Nein zu Lissabon in eine ungewisse Zukunft. Ministerpräsident Brian Cowen, der gerade einen Monat im Amt ist, hätte keinen schlechteren Start haben können.

Schon am Morgen hatte sich das Grauen, das viele befürchtet, aber wenige wahrhaben wollten, abgezeichnet. Wenige Stunden, nachdem die ersten inoffiziellen Ergebnisse eingetröpfelt waren, meldeten sich Regierungsvertreter mit Eingeständnissen der Niederlage zu Wort - als hätten sie geahnt, dass die Iren wie schon einmal vor sieben Jahren der EU das Fürchten lehrten.

Damals hatten die Bürger den Vertrag von Nizza abgelehnt. Als einziges der 27 EU-Länder ließ Irland - per Verfassung dazu verpflichtet - auch diesmal die Bürger über das hochkomplexe Werk abstimmen.

"Nun beginnt das Spiel, wem man den Schwarzen Peter zuschieben kann", sagte ein Regierungsvertreter.

Die Oppositionspolitikerin Mairead McGuinness hatte schnell drei Gründe parat, die das Referendum zum Scheitern brachten: "Erstens, dass der Ministerpräsident selbst das Dokument nicht gelesen hat, zweitens, dass der irische EU-Kommissar es nicht gelesen hat und drittens, dass irische Frauen fürchteten, dass ihre Kinder künftig in eine europäische Armee eingezogen werden." Viele Nein-Sager bekannten, den Europa-Vertrag abgelehnt zu haben, weil sie ihn nicht verstanden hätten.

Dies zeigt, wie verwirrend die Lage in den letzten Tagen für viele Menschen auf der "Grünen Insel" war. "Die Gegner konnten eine Reihe von falschen Gerüchten in die Köpfe der Menschen einpflanzen, bevor die Ja-Seite zum Zuge kam", sagte Pat Rabbitte, der einstige Chef der Labour-Partei.

Von Gerüchten, dass durch die Europäische Union das katholische Irland Abtreibungen legalisieren muss, über das Schreckgespenst der Steuererhöhungen bis hin zur Angst vor einer europäischen Armee: Die wenigsten Wahlberechtigten konnten am Ende Wahrheit von Angstmacherei unterscheiden.