Analyse: Horst Seehofer sägt am Länderfinanzausgleich
Der Bayer sieht die Balance zwischen Solidarität und Eigenverantwortung in Gefahr.
München. Horst Seehofer fühlt sich missverstanden. Nein, er stelle den Länderfinanzausgleich nicht in Frage, muss der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef seit dem Wochenende immer wieder beteuern. Es gehe ihm nicht um "das Ob", sondern um Strukturen. Und dennoch steht Seehofer im Kreuzfeuer der Kritik, muss sich Sätze anhören wie diesen von Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Regierungschef Erwin Sellering: "Das Aufkündigen der Solidarität in Deutschland bekommt einen Namen: CSU." Oder wie den des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU): "Die Bayern sollten nicht immer so laut sein."
Was ist passiert? Seehofer hat einen Gastkommentar für die "Bild am Sonntag" geschrieben. Nur wenige Absätze waren es, doch die hatten es in sich. Bayern sei bis vor 20 Jahren Empfängerland im Länderfinanzausgleich gewesen, berichtete Seehofer da. Niemand könne also besser nachvollziehen, "dass finanzschwache Länder Unterstützung brauchen".
Dann aber zog der Ministerpräsident vom Leder. Die Balance zwischen Solidarität und Eigenverantwortung sei "in Gefahr", kritisierte er. "Einige Nehmerländer im Finanzausgleich leisten sich trotz klammer Kassen eine Reihe staatlicher Wohltaten, die es in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg so nicht gibt - vom kostenfreien Kindergartenjahr bis zum Verzicht auf Studiengebühren."
Seehofer stört zum einen, dass dieses Jahr wohl nur diese drei Länder in den Finanzausgleich einzahlen - und alle anderen kassieren. Sieben Milliarden Euro seien es zusammen, und drei Milliarden davon müsse Bayern tragen. Das ist ihm zu viel. Und zum anderen stören ihn eben die "Wohltaten" der anderen. "Das Problem ist, dass die Länder, die wir unterstützen, Dinge bezahlen, die wir in Bayern nicht bezahlen können", legte er am Montag nach.
Dass Seehofer sich ausgerechnet jetzt mit einem solchen Vorstoß zu Wort meldet, hat einen Grund: Der Freistaat, der sich ob seines ausgeglichenen Haushalts zuletzt nur allzu gerne als finanzpolitischer Musterknabe feiern ließ, schrammt 2010 knapp an neuen Schulden vorbei.
Ein Loch von mehr als einer Milliarde Euro musste das bayerische Kabinett auf einer Haushalts-Klausur stopfen. Und nur der Griff zu den letzten Rücklagen rettet Seehofer im nächsten Jahr die schwarze Null. Kein Wunder also, dass er die Milliarden für die anderen Ländern gerne reduzieren würde.