Analyse: Kubickis Kritik schreckt die kriselnde FDP auf
Der Liberale wettert über den Zustand der Partei und das Spitzenpersonal.
Berlin. Wolfgang Kubicki ist in seiner Partei dafür bekannt, dass er gerne mal zündelt. In seinem jüngsten ausführlichen Gespräch mit dem "Spiegel" spricht der schleswig-holsteinische FDP- Fraktionschef indessen nur ganz nüchtern an, was wohl viele in der Partei denken. Die Lage der FDP sei prekär. "An der Basis hat die Auflösung schon begonnen. Die Austritte nehmen massiv zu."
Die FDP ist nach dem ersten Regierungsjahr weit entfernt von dem Rekordergebnis der Bundestagswahl von knapp 15Prozent. Seit einem halben Jahr hangelt sie sich in Umfragen an der existenzbedrohenden Fünf-Prozent-Marke entlang (siehe Grafik). Kubicki vergleicht die Situation der FDP mit der Endphase der DDR. "Auf einmal war sie nicht mehr da." Und ihre Führung habe dies "bis zum Schluss nicht begriffen".
Im kommenden Jahr stehen sieben Landtagswahlen an. Gleich im Februar in Hamburg sind die Aussichten für die Freidemokraten traditionell nicht sonderlich rosig. Doch wenn im März in der Liberalen-Hochburg Baden-Württemberg die Regierungsbeteiligung verloren geht, hat Parteichef Guido Westerwelle ein ernstes Problem.
Kubicki legt Westerwelle mehr oder weniger direkt nahe, "bei wirklich dramatischen Niederlagen" zurückzutreten. Das ist bis zum Parteitag im Mai relativ unwahrscheinlich. Dagegen sprechen zwei wesentliche Gründe: Zu viele haben Westerwelle viel zu verdanken. Deren Mut zur Rebellion dürfte wenig ausgeprägt sein. Und zudem ist - das weiß auch Kubicki - keine ernstzunehmende Nachfolge in Sicht.
Die FDP-Spitze versucht, diese erneute Attacke des Schleswig- Holsteiners klein zu reden. Die Reaktionen waren sichtlich verhalten. Partei-Vize und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sprach von Profilierungssucht. Aus der Parteizentrale hieß es, Kubicki solle mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen etwas Konstruktives vorbringen.
Die Zurückhaltung scheint abgesprochen. Mit einer heftigeren Reaktion würde man möglicherweise noch mehr Kritiker wachrütteln. Die Kritik Kubickis dürfte Thema bei der Präsidiumssitzung heute in Berlin werden.
Gelegenheit, die Stimmung für die FDP zu drehen, ist beim traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart zum Auftakt des Wahljahres. Wenn die Stimmung aber bis Ende Januar nicht gewendet werden kann, droht in der Koalition mit der Union wie zu Beginn der Legislaturperiode wieder massiver Streit zur Profilierung - um Sachthemen wie Mehrwertsteuerreform oder Zuwanderung.