Interview: „Der Druck auf die Staaten wächst nach Cancún“
Wolfgang Sterk vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie nahm als Experte am Klimagipfel teil. Er sieht das Ergebnis als ersten Schritt.
Herr Sterk, die Reaktionen auf den Abschluss von Cancun wirken paradox: Einerseits sagen viele, es wurde mehr erreicht als erwartet. Andererseits wird aber auch gesagt, den Klimawandel können wir mit dem bisher Erreichten nicht bremsen. Sie haben die Verhandlungen in Cancun beobachtet, wie lautet Ihre Einschätzung?
Sterk: Das ist eine Frage des Maßstabs. Wenn man das Erreichte rein ökologisch betrachtet, ist es natürlich schwach. Es kommt bei weitem nicht an das heran, was eigentlich notwendig wäre. Aber wenn man die Ausgangslage zu Beginn dieser Klimakonferenz betrachtet, konnte nicht mehr erwartet werden. Einige große Staaten waren leider nicht bereit, sich zu bewegen.
Sterk: Insbesondere die USA. Die Demokraten sind ja im Kongress mit ihrem Klimaschutzgesetz gescheitert. Und nach dem Wahlsieg der Republikaner ist klar, dass es auch auf Jahre hinaus keinen neuen Anlauf dazu geben wird. Der historisch größte CO2-Emittent ist damit quasi bewegungsunfähig. Hinzu kam die massive Opposition von Japan und Russland gegen eine Weiterführung des Kyoto-Protokolls. Dadurch bewegten sich die Gespräche lange am Rande des Scheiterns.
Sterk: Immerhin sind ein paar Punkte geschafft worden: Zum einen haben wir erstmals eine Bestätigung des Zwei-Grad-Ziels im Rahmen der Vereinten Nationen (UN) bekommen. Das ist wichtig, weil die Wissenschaft davon ausgeht, dass die Folgen einer globalen Erwärmung um bis zu zwei Grad gerade noch beherrschbar wären. Zum anderen sind die Selbstverpflichtungen zur Emissionsreduktion, die viele Staaten im vergangenen Jahr abgegeben hatten, nun auch auf UN-Papier gebracht worden. Das heißt, der Druck, diese Verpflichtungen auch einzuhalten, wächst. Zudem wird im Text eingeräumt, dass diese Verpflichtungen aber noch nicht ausreichen.
Sterk: Es ist eine Frage des politischen Willens. Wenn der Wille zu den notwendigen Emissionsverringerungen da wäre, dann wäre das Ziel durchaus noch erreichbar. Aber der Bremsweg wird natürlich immer kürzer. Wir haben ja schon eine beträchtliche Menge von Treibhausgasen in der Atmosphäre angesammelt. Und die jährliche Menge, die hinzu kommt, steigt noch immer.
Sterk: Ideal wäre natürlich ein bindender Vertrag. Die Industrieländer müssten sich darin auf eine Verringerung ihrer Emissionen um rund 40 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 1990 einigen. Damit wäre die größte Lücke geschlossen. Zudem müssten noch einige Schwachstellen im Kyoto-Protokoll korrigiert werden. Die Schwellenländer wie zum Beispiel China sind nicht das Hauptproblem. Deren Selbstverpflichtungen sind schon sehr weit gehend.
Sterk: Man muss bedenken, dass es auch das größte Volk der Welt ist. Es liegt beim CO2-Ausstoß zwar knapp vor den USA, hat aber eine viermal so große Bevölkerung.
Sterk: Dieser Anstieg muss natürlich gebremst werden, die Chinesen haben damit auch schon begonnen. Sie haben sich sehr ambitionierte Ziele bei der Verbesserung der Energieeffizienz und beim Ausbau der erneuerbaren Energien gesetzt. Und sie nehmen diese Ziele auch ernst. In China wird inzwischen ungefähr soviel Geld in erneuerbare Energien investiert wie zusammengerechnet im gesamten Rest der Welt. Das zeigt: Vor allem müssen die Industrieländer nachlegen, nicht China.
Sterk: Es müsste sehr viel passieren, und zwar in allen Bereichen. Bei den erneuerbaren Energien liegen wir ganz gut auf Kurs. Drastisch zugelegt werden müsste aber zum Beispiel bei der Energieeffizienz.
Sterk: Im Gebäudebereich schlummert ein riesiges Potenzial. Wenn man das angehen würde, wäre das nicht nur für das Klima sinnvoll, sondern auch für die Geldbeutel derjenigen, die die Heizkosten zahlen müssen. Die notwendigen Investitionen würden sich in den meisten Fällen nach einigen Jahren refinanzieren. Das gleiche gilt für Elektrogeräte. Die Unterschiede beim Energieverbrauch sind wirklich immens. Wer mehr für besonders sparsame Geräte bezahlt, wird nach einigen Jahren durch den gesparten Strom ein Plus gemacht haben.