Analyse: Scheitert EU-Reform in Karlsruhe?

Das Verfassungsgericht entscheidet am Dienstag über den Lissabon-Vertrag.

Karlsruhe. Die 27 EU-Staaten haben bei ihrem jüngsten Gipfel in Brüssel den Weg für ein zweites Referendum in Irland zum Lissabon-Vertrag Anfang Oktober freigemacht. Jetzt blicken die Europapolitiker gespannt nach Karlsruhe. Am Dienstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht über den Reform-Vertrag, mit dem die EU demokratischer und transparenter werden soll.

Sollten die obersten Richter den Reform-Vertrag insgesamt kassieren, wäre das schlicht der Super-Gau in der EU. Die Iren könnten sich ihr Referendum schenken. Von dem europäischen Reform-Motor Deutschland bliebe plötzlich nicht mehr viel übrig. Dies ist auch den Karlsruher Richtern klar, wenn sie das Urteil über die Klagen der Europaskeptiker aus dem Bundestag - vor allem des CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler und der Linken - sprechen werden.

"Das Gericht wird neue Leitplanken einziehen", vermutet Gunther Krichbaum (CDU), der als Vorsitzender des Europa-Ausschusses des Bundestags bei der mündlichen Verhandlung im Februar mit dabei war. Bisherige gesetzliche Vorgaben, wonach Bundesregierung und Bundestag bei wichtigen EU-Entscheidungen "Einvernehmen herstellen" müssen, hält auch er für ziemlich schwammig. Aus den Nachfragen der Richter bei der Verhandlung könne geschlossen werden, dass es ohne klare Vorgaben für die weitere Zusammenarbeit zwischen Bundestag und Bundesregierung bei wichtigen EU-Entscheidungen kaum abgehen wird. Vor allem so heikle Fragen wie die zukünftige "Innenpolitik" der EU und die Erweiterungsverhandlungen der EU - etwa mit der Türkei - könnte das betreffen.

Jede Bundesregierung hat sich bislang dagegen gewehrt, dass der Bundestag ihren Handlungsspielraum in der Außenpolitik zu sehr einschränkt. So könnte es durchaus sein, dass die Richter künftige Bundesregierungen zwingen werden, schon vor Aufnahme von Beitrittsverhandlungen die Zustimmung des Parlaments einzuholen. Auch bei dem Übergang in der EU von der Einstimmigkeit zu Mehrheitsentscheidungen könnte die Regierung verpflichtet werden, zuvor die Zustimmung des Bundestags einzuholen.

Der Verhandlungsspielraum der Berliner Kabinettsmitglieder in Brüssel, etwa wenn es um die Verlagerung von Kompetenzen im Strafrecht geht, wäre stark eingeschränkt. Einen Vorteil hätte das allemal - ein beliebtes Spiel wäre so nicht mehr ohne weiteres möglich: Gibt es "gute" Entscheidungen auf EU-Ebene, heimsen die nationalen Regierungen die Lorbeeren ein, sind es unpopuläre, sind "die in Brüssel" Schuld.