Müntefering-Interview: Warum ist der Trend kein Genosse?

Er hat Kurt Beck als SPD-Chef abgelöst, um es besser zu machen: Franz Müntefering. Doch spätestens seit der Europawahl herrscht tiefe Ratlosigkeit.

WZ: Herr Müntefering, warum ist der Trend kein Genosse mehr?

Franz Müntefering: Warten Sie’s ab. Der Wahlkampf beginnt im August. Da lasse ich mich jetzt nicht zappelig machen.

Müntefering: Ich bin nicht kurzatmig. Wie gesagt: Wahlkampf kommt erst noch. Und ich blicke lieber auf die lange Strecke. Wir haben seit 1998 viel erreicht, vor allem inhaltlich. Wir haben seit 1998 eine große Stabilität im Land. Dazu haben vor allem Sozialdemokraten beigetragen, auch in der jetzigen Koalition. Darauf kommt es an. Das werden wir nach dem 27. September in der Bundesregierung unter Frank-Walter Steinmeier fortsetzen.

Müntefering: Ja. Das Ergebnis war überraschend - für alle, nicht nur für uns. Da muss man dann auch ehrlich mit umgehen. Alle haben geglaubt, dass bei der Europawahl für die SPD etwas anderes herauskommt. Noch am Nachmittag der Wahl hieß es in den Umfragen, wir erreichen 26, 27 Prozent.

Müntefering: Auch die Meinungsforschungsinstitute haben sich vertan. Entscheidend ist, dass die Wahlbeteiligung bei der Europawahl erschreckend niedrige 43Prozent betrug. Bei der Bundestagswahl werden es 75 bis 80 Prozent sein. Um diese 35 Prozent wird es gehen. Da steckt unser Mobilisierungspotenzial. Die Menschen unterscheiden offenbar genau, zu welcher Wahl sie gehen und wie sie dann jeweils abstimmen. Bei den Kommunalwahlen hat die CDU verloren: in Baden-Württemberg 1000 Mandate. Sie hat in Thüringen verloren, im Saarland, in Mecklenburg-Vorpommern.

Müntefering: Das ist auch eine Frage von Glaubwürdigkeit und Aufrichtigkeit. Ich frage mich schon, ob Herr Guttenberg eine andere Melodie angestimmt hätte, wenn es in Bayern ein Opel-Werk gäbe.

Müntefering: Und das merken die Menschen auch. Warten Sie mal ab, wer bei der Bundestagswahl das Vertrauen erhält: Frank-Walter Steinmeier und wir.

Müntefering: Das habe ich so nicht gehört. Aber so oder so. Im Wahlkampf werben wir für uns selbst. Die SPD steht dafür, dass wir die soziale Marktwirtschaft neu starten, dem Kapitalismus Zügel anlegen und Arbeitsplätze sichern. Mit wem wir das dann umsetzen, wird sich zeigen. Da es mit der Linken keine Koalition geben wird, bleiben im Bundestag mit uns noch vier Fraktionen und fünf Parteien übrig. Und die sind alle untereinander koalitionsfähig.

Müntefering: Nein, aber wir wollen sie nicht. Wir wollen stärkste Fraktion werden. Und wir wollen Schwarz-Gelb verhindern. Das ist der entscheidende Punkt, und das schaffen wir auch. Und dann ist die Tür des Kanzleramts für Frank-Walter Steinmeier geöffnet.

Müntefering: Wer SPD wählt, wählt SPD und Frank-Walter Steinmeier zum Kanzler. Das ist unser Ziel und das werden wir erreichen.

Müntefering: Nein. Das ist keine respektable Leistung, sondern für einen, der mal Vorsitzender der SPD war, ein Verrat an sozialdemokratischen Ideen - ohne Abstriche.

Müntefering: Politisch und persönlich, ja.

Müntefering: Nein. Als ich mich entschieden habe, noch einmal als Parteivorsitzender einzusteigen, war klar, dass es sich nicht um eine kurze Montagearbeit handelt. Ich habe mir viel vorgenommen.

Müntefering: Sie ist jung, sie wird ihren Weg machen.

Müntefering: Das tue ich doch auch - unter anderem. Ich bin seit 1965 dabei.

Müntefering: Ja - und es ist gut, dass sie das mit dem nötigen Respekt vor dem Privatleben tut.