Analyse: Vorsichtige Annäherung im Raketenstreit

Der Ton zwischen Russen und Amerikanern wird sachlicher, aber Differenzen bleiben.

<strong>Noordwijk. Der handfeste Streit zwischen Amerikanern und Russen über die US-Raketenabwehr in Osteuropa drohte sich fast zu einer Krise internationalen Ausmaßes auszuwachsen. Eine Lösung des Konflikts liegt zwar immer noch in weiter Ferne, aber wenigstens die Tonlage scheint sich zu bessern. Auslöser ist der Vorschlag von US-Verteidigungsminister Robert Gates, das umstrittene Abwehrsystem erst dann zu aktivieren, wenn die Bedrohung bewiesen ist. Ein Schritt, den Russlands Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow durchaus zu loben weiß. Die Amerikaner hätten die Sorgen der Russen inzwischen "besser verstanden", sagte er auf dem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Noordwijk.

In der Sache bleiben die Differenzen hingegen groß. Russland zweifelt nach wie vor an der Notwendigkeit, unmittelbar vor seiner Haustür ein US-Abwehrsystem zu installieren, das sich gegen eine nicht nachgewiesene Raketen-Bedrohung des Iran richte. "Es gibt Punkte in den Nato-Russland-Beziehungen, in denen wir noch keine gemeinsame Grundlage gefunden haben", sagte Serdjukow, ehe er das niederländische Seebad wieder verließ. Gemeint sind der Streit um die Raketenabwehr und um den KSE-Abrüstungsvertrag, den Moskau aufzukündigen droht.

Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer, sichtbar um ein positives Gesamtbild des Treffens in seiner Heimat bemüht, sprach hingegen von einem "sehr substanziellen Angebot" der Amerikaner. "Ich hoffe, dass Russland die konstruktiven Gespräche fortsetzen wird", fügte er hinzu. Der Dialog müsse mit einem "Maximum an Transparenz" geführt werden.

US-Verteidigungsminister Gates hatte das US-Angebot bereits am 12. Oktober in Moskau unterbreitet. Darin wird Russland auch eine Beteiligung an der Raketenabwehr vorgeschlagen. So könnten die Russen eigene Soldaten entsenden und neben der geplanten US-Radaranlage in Tschechien auch eigene Radarstationen, etwa in Aserbaidschan, einbringen. Der Europa-Abteilungsleiter im US-Außenministerium, Dan Fried, hat die US-Position inzwischen präzisiert. Danach sei eine engere Verzahnung mit der Nato beabsichtigt, vorstellbar sei auch ein amerikanisch-russisches oder ein Nato-russisches Raketenabfangsystem.

KSE-Vertrag Überschattet wurden die Gespräche zwischen US-Verteidigungsminister Gates (l.) und seinem russischen Kollegen Serdjukow über den US-Raketenschirm durch das Einfrieren des KSE-Vertrages durch Moskau. Der Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa, 1999 in Istanbul an die Verhältnisse nach Zusammenbruch des Warschauer Paktes angepasst, legt zwischen Ural und Atlantik Obergrenzen für Panzer, Artillerie sowie Kampfflugzeuge fest und regelt die Kontrollen.

Ratifikation Ratifiziert haben den Vertrag bislang nur Russland, Weißrussland, die Ukraine und Kasach-stan. Die Nato-Staaten knüpften im Jahr 2000 in Florenz ihre Ratifizierung einseitig an den Abzug russischer Truppen aus Georgien. Russland fordert eine Überarbeitung des Vertrages, weil die baltischen Staaten darin nicht erfasst sind.