Angst und Chaos in Kairo
In der Hauptstadt herrscht die Anarchie. Auch viele Ägypter packen ihre Koffer.
Kairo. Nach einer zweiten Nacht der Plünderungen in Ägypten geht bei immer mehr Ausländern die Angst um. Hunderte von Ausländern versuchen, die Hauptstadt Kairo zu verlassen. Selbst Familien, die schon seit Jahrzehnten in dem nordafrikanischen Land leben, suchen das Weite.
„Bei uns im Viertel wurde letzte Nacht wieder geschossen. Ich habe ein kleines Kind, ich will jetzt hier raus“, sagte die Österreicherin Gisela Fritz, die seit 20 Jahren in Ägypten lebt.
In dem südlichen Vorort Maadi rief eine Amerikanerin die US-Botschaft an, weil Plünderer vor ihrem Haus standen. Die Botschaft schickte sofort drei bewaffnete Angehörige einer Spezialeinheit, um die Frau zu schützen, die in der Nähe einer Amerikanischen Schule wohnt.
Was Fritz besonders Angst gemacht hat, war der Bericht von einem Überfall bei Verwandten einer Freundin an der Nil-Uferstraße. Räuber hielten der Hausherrin ein Messer an den Hals. Als diese um Gnade bat, weil sie doch Kinder habe, sagten die Verbrecher: „Geht nach draußen“. Dann räumten sie die Wohnung leer und zogen ab.
In Maadi haben sich wie in anderen Vierteln auch Bürgerwehren gebildet. Die meisten Nachbarn und Hausmeister, die sich dafür freiwillig gemeldet haben, besitzen keine Schusswaffen, sondern nur Stöcke und Messer.
Sie bieten daher nicht wirklich Sicherheit. In der Nacht zu Sonntag schossen Männer aus einem vorbeifahrenden Taxi auf eine Gruppe von Nachbarn, die sich an den Eingängen zum Viertel Garden City postiert hatten, um ihre Familien zu schützen. Zwei von ihnen seien von den Schüssen getroffen worden, berichtet ein Hausmeister. „Ich glaube, sie sind beide tot.“
Der Mann von Gisela Fritz, ein Ägypter, hat sich entschlossen, vorerst in Kairo zu bleiben, um sich um seine Mutter und seine Mitarbeiter zu kümmern. Doch auch etliche Ägypter, die es sich leisten können zu fliegen, haben schon kleine Taschen gepackt, um im Notfall doch rasch ausreisen zu können.
Am Sonntag schienen viele so mit ihrer eigenen Sicherheit beschäftigt zu sein, dass kaum noch jemand an Politik dachte — vor allem nachdem bekanntgeworden war, dass Tausende von Verbrechern aus den Gefängnissen fliehen konnten.