Ansichten einer Krisen-Kanzlerin

Wohin steuert Schwarz-Gelb? Das galt es nach dem Krach der ersten Wochen zu klären.

Berlin. Zwischendurch liest, tippt und sendet Angela Merkel SMS. Dann geht ihr Blick konzentriert nach unten, die Hände bleiben verborgen unterm Tisch. Wenn die Kanzlerin fertig ist, schaut sie jedes Mal auf und lächelt entrückt zu den Unions-Reihen. Nichts versäumt, oder?

Gerade ist die Opposition dran. Wie eine Pflichtübung hatte Merkel zuvor eine Stunde lang im Bundestag die Regierungserklärung ihrer zweiten Amtszeit gehalten. Ihr Ziel ist, Wachstum zu schaffen, aber sie bekennt auch freimütig: "Dieser Weg ist keine Garantie, dass wir es schaffen, die Folgen der Wirtschaftskrise schnell zu überwinden."

Es ist ein Schlüsselsatz und der Ausgangspunkt der schwarz-gelben Koalition. In ihm schwingt so vieles mit: Entschlossenheit, aber auch die Unsicherheit über den Verlauf der Bankenkrise, die Abneigung, Versprechungen abzugeben, die unsicher sind, und die innere Aufteilung der nächsten vier Jahre. Zuerst muss die Regierung die Krise bewältigen. Alles andere folgt daraus und danach.

Die Krise liefert die Begründung für Steuersenkungen auf Pump, das umstrittene Projekt und Teil des "dreifachen Wortbruchs", den der Grüne Jürgen Trittin beklagt. Er hebt - neben der Verschuldung - auf die höhere Belastung der Beitragszahler in die Kranken- und Pflegekasse und die Kinderarmut ab, weil das Kindergeld, nicht aber die Hartz-IV-Sätze erhöhen werden sollen.

Es ist gleichwohl die Opposition, die an diesem Tag punktet; ganz einfach deswegen, weil Merkel jene Rede ohne Gewähr hält, auf die Steinmeier eingestellt war. "Sie hat keinen Plan, kein Projekt, keinen Anspruch", sagt der SPD-Fraktionschef.

Am Vortag war Blau dran. Am Morgen kommt Merkel nun in Schwarz. Eine Farbe übrigens, zu der sie - buchstäblich wie bildlich - steht, die angemessen feierlich und staatstragend ist, wie es in ihrem Umfeld heißt. Und die zur Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede passt, an der sich die Kanzlerin versucht. Zu Beginn der Regierungsarbeit, argumentiert die Kanzlerin, müsse eine "schonungslose Analyse der Lage stehen".

"Anschließend ziehen wir die Konsequenzen." Fast alles tippt die Kanzlerin an. Nur selten mag sie in die Tiefe gehen. Ihr Koalitionspartner FDP kann indes zufrieden sei, wenn sie im liberalen Jargon für einen Stufentarif im Steuersystem wirbt: "einfach, niedrig und gerecht"; oder wenn sie unter Beifall ausruft, Leistung solle sich wieder lohnen. "Wer mehr hat, darf mehr behalten", kontert Steinmeier gallig.