Was in Merkels Standortbestimmung fehlte

Die Rede blieb bei vielen Themen unkonkret oder sparte sie gleich ganz aus.

Berlin. Die Visitenkarte eines neuen Kanzlers soll sie sein, eine Standortbestimmung, die im besten Fall in Tiefe und Bestimmtheit über das Absichtsvolle eines Koalitionsvertrages hinausgeht. In ihrer Regierungserklärung hat sich Angela Merkel am Dienstag jedoch zu vielen zentralen Sachthemen nicht konkreter geäußert, als vor und nach der Wahl.

Stufentarif, Einkommenssteuersenkungen und der Einstieg in eine grundlegende Steuerstruktur-Reform sollen 2011 kommen, sagt Merkel und nennt das einen "weiteren Wachstumsimpuls". Halbwegs konkrete Plan-Zahlen dazu nennt sie nicht.

Kernkraftwerke bleiben eine "unverzichtbare Brückentechnologie", bis Deutschland das "regenerative Energiezeitalter" erreicht hat, sagt Merkel. Und meint damit längere Laufzeiten für Kernkraftwerke. Wann die ersten Meiler abgeschaltet werden und wie viele Millionen die Stromkonzerne dafür an den Staat zahlen sollen - dazu sagt sie nichts.

Befristete Beschäftigungsverhältnisse sollen erleichtert, gleichzeitig sittenwidrige Löhne verhindert werden, die einen gesetzlichen Mindestlohn vehement ablehnt. Einen Hinweis, wo denn die Lohnuntergrenzen liegen könnten, gibt sie jedoch nicht.

Jeder Betrieb, der finanzielle Probleme hat (seit Monaten bekanntes Stichwort: Kreditklemme), soll unbürokratisch und zügig Hilfe bekommen, sagt Merkel. Wie und wann und bei welcher Bank, sagt sie nicht.

Im Jahr 2020 lebten 3,5 Millionen Menschen unter 25 Jahren weniger in Deutschland als heute. Mit der Rente mit 67 seien erste Schritte gemacht worden, nun müssten weitere "Veränderungen" in die Wege geleitet werden. Welche, sagt sie nicht.

Mit Blick auf den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan sagt Merkel: "Wir wollen eine Übergabe-strategie in Verantwortung festlegen." Was das bedeuten könnte, kann man allenfalls erahnen: Wir machen uns nicht einfach aus dem Staub. Sondern: Abzug der Truppen erst, wenn die afghanische Regierung mit eigener Armee und eigener Polizei selbst für die Sicherheit im Land sorgen kann. Bis wann das möglichst der Fall sein soll, sagt Merkel aber nicht.

Kein Wort zu Ostdeutschland - ungewöhnlich für eine Ostdeutsche. Kein konkretes Wort zum Spannungsverhältnis "Freiheit und Sicherheit" - eine der wichtigsten Baustellen des Koalitionspartners FDP.