31 Tote bei Anschlag in Chinas Unruheregion Xinjiang
Ürümqi (dpa) - Bei einem „schweren Terrorakt“ in der Unruheregion Xinjiang in Nordwestchina sind 31 Menschen ums Leben gekommen. 94 wurden am Donnerstag bei dem Anschlag in der Regionalhauptstadt Ürümqi verletzt, wie die Regierung von Xinjiang berichtete.
Kurz darauf wurden zwei Flüge nach Ürümqi wegen eines Verdachts auf eine Bombe umgeleitet, der sich aber als falsch entpuppte. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping rief zum harten Durchgreifen gegen Terroristen auf. Er werde die Stabilität mit allen Mitteln sichern.
Wegen der Spannungen zwischen den muslimischen Uiguren und den Han-Chinesen gilt Xinjiang als Unruheherd. Das Turkvolk fühlt sich wirtschaftlich, politisch und kulturell von den herrschenden Chinesen unterdrückt. Die Attentäter griffen nur einen Tag nach einer Rede von Xi Jinping auf einem Sicherheitsgipfel mit 24 Staaten in Shanghai an. Dort hatte er zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen die „drei bösen Kräfte“ Separatismus, Extremismus und Terrorismus aufgerufen. Dazu zählt China auch uigurische Separatisten und Widerstandskräfte.
Mit dem Anschlag erreichte die blutige Gewalt ein neues Niveau. Die Angreifer hätten zwei Geländewagen in einen morgendlichen Straßenmarkt nahe des Volksparks gesteuert und die Menschen einfach überrollt, berichteten Augenzeugen telefonisch der Nachrichtenagentur dpa in Peking. Dann hätten sie mehr als ein Dutzend Sprengsätze geworfen. Beide Jeeps seien explodiert. „Es war schrecklich“, sagte ein Mitarbeiter eines Restaurants, vor dem der Anschlag passierte.
„Die zwei Autos kamen jeweils vom anderen Ende der Straße mit dem Morgenmarkt“, sagte der Mann. „Sie fuhren viele Menschen um. Als sie in der Mitte der Straße ankamen, begannen sie, Sprengsätze auf die Menschen zu werfen.“ Die Gegend sei von verschiedenen Volksgruppen wie Han-Chinesen, Uiguren, Kasachen und Hui-Moslems bewohnt, sagte der Mann, der selber zur chinesischen Hui-Minderheit gehört.
Unter den Opfern waren viele ältere Leute, die am Morgen frisches Gemüse kaufen wollten. Das Polizeiministerium in Peking sprach von einem „ernsten gewaltsamen Terrorakt“, ohne aber die verdächtigten Urheber zu nennen.
Vier Stunden nach den Anschlägen wurden zwei Flugzeuge auf dem Weg nach Ürümqi umgeleitet. Xinjiang Airlines berichtete, ein Passagier habe die Crew nach dem Start in Shanghai unterrichtet, den Koffer eines Freundes „mit verdächtigen Gegenständen“ zu transportieren. Dieser habe die Maschine verpasst. Die Maschine landete umgehend in Lanzhou. Der Bekannte nahm einen späteren Flug, der daraufhin nach Nanjing umgeleitet wurde. „Es war falscher Alarm“, sagte ein Mitarbeiter des Flughafens. Zwei Passagiere seien festgesetzt worden.
Seit knapp drei Monaten erlebt China eine Serie von Sprengstoff- und Messerattacken. Anfang März gab es auf dem Bahnhof von Kunming 33 Tote, als Uiguren Reisende mit Messern angriffen. Erst vor drei Wochen kamen auf dem Bahnhof in Ürümqi drei Menschen ums Leben. Mehr als 200 Menschen wurden bei den bisherigen Anschlägen schon verletzt.
Nach dem neuen Anschlag waren im chinesischen Internet Bilder von Menschen zu sehen, die blutend auf dem Boden lagen. Die Wucht der Explosionen hatte Gemüsestände umgeworfen. Dichter Rauch stieg hoch. Opfer wurden auf Ladeflächen von Lieferwagen gelegt, um ins Krankenhaus gebracht zu werden. In unbestätigten Augenzeugenberichten hieß es, die beiden Toyota-Jeeps seien mit Fahnen und Protestbannern bestückt gewesen. Ob die Täter ums Leben kamen, blieb unklar. „Beide Jeeps brannten aus“, sagte eine Frau telefonisch der dpa.
Als Reaktion versprach Chinas Präsident, dass die Sicherheitskräfte ihre Patrouillen und Kontrollen verstärken werden, um potenzielle Ziele vor Terroristen zu schützen. In den vergangenen Wochen waren bei einer „Antiterror-Kampagne“ in Xinjiang bereits mehr als 200 Menschen festgenommen worden.
Auch verurteilte ein Gericht in Ürümqi am Vortag 39 mutmaßliche Extremisten wegen der Verbreitung von Terrorvideos und des Aufrufs zur Gewalt zu Haftstrafen von bis zu 15 Jahren. Ein Sprecher des in München ansässigen Weltkongresses der Uiguren warnte davor, den Anschlag „als Vorwand für größere Repressionen zu benutzen“.
Seit Anfang 2013 sind rund 300 Menschen der Eskalation der Gewalt sowie Zwischenfällen zwischen Uiguren und Sicherheitskräften zum Opfer gefallen, wie Menschenrechtsgruppen berichteten.