Rätseln über russische Truppenbewegung nahe der Ukraine

Kiew/Brüssel (dpa) - Auffällige Bewegungen russischer Truppen an der Grenze zur Ukraine sorgen kurz vor der Präsidentenwahl für Aufsehen. Während Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen dies als möglichen Beginn des angekündigten Abzugs aus dem Grenzgebiet einstuft, zeigt sich Nato-Militärchef Philip Breedlove skeptisch.

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Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Vortag den Abzug der Truppen angekündigt, „damit nicht Spekulationen entstehen, wir würden die Präsidentenwahl behindern“. Im Osten der Ukraine überfielen unterdessen Separatisten einen Kontrollpunkt der Armee und töteten mindestens 13 Soldaten.

„Wir haben gestern Abend eine begrenzte russische Truppenbewegung in der Nähe der ukrainischen Grenze gesehen“, sagte Rasmussen am Donnerstag. Dies könne darauf hindeuten, „dass einige dieser Truppen den Rückzug vorbereiten“. „Es ist noch zu früh, um zu sagen, was das bedeutet, aber ich hoffe, dass es der Beginn eines umfassenden und ehrlichen Rückzugs ist.“

Der militärische Oberkommandeur der Nato, US-General Breedlove, äußerte sich zurückhaltender. „Wir sehen etwas Bewegung. Das Ausmaß und der Umfang sind noch nicht ganz klar“, sagte er in Brüssel. Auf die Frage, ob es sich um einen russischen Truppenabzug handele, sagte er: „Ich weiß es nicht. Das kann man noch nicht sagen.“

Noch seien die meisten russischen Truppen in unmittelbarer Nähe zur ukrainischen Ostgrenze, sagte Rasmussen. „Und wir sehen fortgesetzte russische Manöver in diesem Gebiet. Ein umfassender und nachprüfbarer Abzug wäre ein „erster Schritt Russlands in die richtige Richtung, um seinen internationalen Verpflichtungen gerecht zu werden“. Nach Angaben der Nato hat Russland zwischen 35 000 und 40 000 Soldaten im Grenzgebiet zur Ukraine stationiert.

Mit Blick auf die Wahlen hat die Führung in Kiew den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen um eine Dringlichkeitssitzung gebeten. Vor der Präsidentenwahl am Sonntag würden sich Hinweise auf „russische Sabotageakte“ häufen, sagte Regierungschef Arseni Jazenjuk in Kiew. „Wir werden bei der Sitzung Beweise vorlegen, dass Russland mit einer Eskalation des Konflikts die Präsidentenwahl vereiteln will.“

Die Präsidentenwahlen in der Ukraine sind aus Sicht der Führung in Kiew auf jeden Fall gültig, auch wenn nicht überall im Land abgestimmt werden kann. Die Wahl sei gemäß ukrainischem Recht gültig, weil es keine Mindestwahlbeteiligung gebe, sagte Interims- Außenminister Andrej Deschtschiza dem „Tagesspiegel“ (Freitag). An den Orten, die von den Separatisten kontrolliert werden, könnte nicht gewählt werden. „Wir schätzen, dass weniger als zehn Prozent der Wahlberechtigten betroffen sind“, betonte Deschtschiza.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sahen es als „ermutigendes Zeichen“, dass die Wahlen in den meisten Landesteilen der Ukraine stattfinden können. In einem kurzen Telefonat bedauerten sie, dass Russland keine OSZE-Beobachter für diese Wahl zur Verfügung stelle.

In der Ostukraine wurden bei Gefechten zwischen Regierungstruppen und prorussischen Kräften 13 Soldaten getötet. Die Sicherheitskräfte hätten die Stadt Wolnowacha etwa 60 Kilometer südlich von Donezk vor moskautreuen Kämpfern schützen wollen, teilte Interimspräsident Alexander Turtschinow in Kiew mit. „Zu unserem riesigen Bedauern haben 13 Menschen unter dem Feuer von Granatwerfern und schweren automatischen Waffen ihr Leben für die Ukraine gelassen“, sagte er.

Die Separatisten wiederum sprachen von 20 Toten und über 42 Verletzten bei Wolnowacha. In Lissitschansk, rund 90 Kilometer nordwestlich von Lugansk sprengten Separatisten eine Brücke, um das Vorrücken der Regierungstruppen zu behindern.

Die prowestliche Regierung geht in der Region mit einem „Anti-Terror-Einsatz“ gegen Separatisten vor. Sie hat die Kontrolle über weite Teile der Gebiete Donezk und Lugansk verloren und bereits eingeräumt, dass die Präsidentenwahl dort nicht stattfinden kann.

In der selbst ernannten „Volksrepublik Lugansk“ riefen die Machthaber das Kriegsrecht aus. Die fiktiven „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk hatten sich am 11. Mai in nicht anerkannten Referenden vom Rest des Landes losgesagt.