Assad gewährt seinem Volk nur eine kurze Feuerpause
Assads Regime akzeptiert zwar den Friedensplan des UN-Sondergesandten Kofi Annan. Hoffnung auf Frieden im Land gibt es aber kaum.
Istanbul. Zwei Wochen hat sich die syrische Regierung mit ihrer Antwort auf den Friedensplan des UN-Sondergesandten Kofi Annan Zeit gelassen. Nun hat sie ihn — womöglich nach einer eindringlichen Warnung aus Moskau — doch noch akzeptiert.
Sollte er wirklich umgesetzt werden, dann müssten in Syrien schon bald die Waffen schweigen. Humanitäre Hilfe würde die Zentren des Aufstandes erreichen.
Nur gibt es in den Reihen der syrischen Opposition niemanden, der glaubt, dass dies wirklich geschehen wird. Sowohl die Parteipolitiker als auch die Organisatoren der Straßenproteste sind fest davon überzeugt, dass dies nur ein weiterer Schachzug von Präsident Baschar al-Assad ist, um Zeit zu gewinnen.
„Das syrische Regime wird weiter auf eine militärische Lösung setzen, davon sind wir überzeugt, und auch die internationale Gemeinschaft sollte auf Basis dieser Erkenntnis handeln“, erklärt ein Sprecher der Jugendprotestbewegung.
Auch in dem Istanbuler Konferenzsaal, in dem an diesem sonnigen Märztag rund 400 syrische Oppositionelle um eine gemeinsame Strategie für den Sturz des Assad-Regimes ringen, ruft die Nachricht vom „Ja“ zum Annan-Plan keine Begeisterung hervor.
Ein junger Konferenzteilnehmer mit Anzug und akkuratem Bart zuckt mit den Schultern und sagt: „Es wird sich praktisch nichts ändern, denn dieser Plan sieht einen Dialog mit dem Regime vor: Und wenn es einen einzigen Punkt gibt, in dem sich alle ehrenhaften Syrer einig sind, dann ist es, dass Assad weg muss.“
Doch wie dieses Ziel erreicht werden soll und wie der neue syrische Staat aussehen sollte, darüber sind sich die Islamisten, Kommunisten, Liberalen, Christen, Kurden und Turkmenen, die sich in dem weißen Zweckbau in einem Vorort von Istanbul versammelt haben, keineswegs einig.
Wie schon bei früheren Treffen dieser Art, so macht die syrische Opposition ihrem Ruf als heillos zerstrittene Chaostruppe auch diesmal alle Ehre. Ganze Delegationen verlassen unter Protest den Saal, während in den Korridoren des Hotels über die Erweiterung des Nationalrates (SNC) gefeilscht wird. Über die Formulierung des Textes gibt es Streit. Wie über Annans Friedensplan.
Auch SNC-Sprecherin Basma Kadhmani hält die Tatsache, dass die Führung in Damaskus den Annan-Plan akzeptiert hat, nicht für einen großen Durchbruch. Doch die in Frankreich lebende Politologin vermutet, dass es für das Regime, wenn es diesem Plan zustimmt und danach trotzdem weiter auf Zivilisten schießen lässt, unangenehme Konsequenzen geben wird. Dann, so glaubt sie, könnte Assad die Unterstützung Russlands verlieren, die ihn bislang noch schützt.