Bei Ägypten-Wahl zeichnet sich Sieg der Islamisten ab

Kairo (dpa) - Islamisten könnten demnächst mehr als die Hälfte der Abgeordneten im ägyptischen Parlament stellen. Das zeichnete sich am Mittwoch nach der ersten Runde der Parlamentswahl in Kairo und acht weiteren Provinzen ab.

Die Partei der Freiheit und Gerechtigkeit, deren Mitglieder sich selbst als „moderate Islamisten“ bezeichnen, ließ demnach alle anderen Parteien weit hinter sich. Nach Auszählung fast aller abgegebenen Stimmzettel berichteten lokale Medien, die Partei habe rund 40 Prozent der Stimmen für die Parteilisten erhalten. Acht Prozent der Stimmen sicherten sich danach die radikalen Islamisten von der Partei des Lichts (Al-Nur).

Die liberale Ägyptische Allianz landete nach Informationen des Nachrichtensenders Al-Dschasira mit 15 Prozent auf dem zweiten Platz. Die traditionsreiche liberale Wafd-Partei erhielt etwa 5 Prozent der Stimmen. Die restlichen Parteimandate gingen den Angaben zufolge an linke Parteien und die Partei der radikal-islamischen Gamaa Islamija. Die Parteien der jungen „Revolutionäre“, deren Mitglieder mit ihren Protesten maßgeblich zum Sturz von Präsident Husni Mubarak beigetragen hatten, werden im neuen Parlament gemäß den ersten inoffiziellen Ergebnissen nur eine marginale Rolle spielen.

Die Partei der Freiheit und Gerechtigkeit war im Frühjahr aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen. Die Muslimbrüder hatten unter Mubarak stets als „Unabhängige“ antreten müssen, weil ihre Bewegung damals offiziell verboten gewesen war. Sie wollen aus Ägypten einen Staat mit stark religiöser Prägung machen. Sie vertreten allerdings im Vergleich zur Al-Nur-Partei noch relativ gemäßigte Positionen. Die Al-Nur-Partei will eine „islamische Reform des Bildungswesens“ erreichen.

In der Ära des im Februar entmachteten Präsidenten Mubarak waren die Muslimbrüder die stärkste Fraktion der Opposition gewesen. Führende Mitglieder der Muslimbruderschaft erklärten am Mittwoch, Ägypten werde nach dem Abschluss der Wahl voraussichtlich von einer Koalitionsregierung unter ihrer Führung regiert werden. Zu möglichen Koalitionspartnern äußerten sie sich nicht. Die Nationaldemokratische Partei von Ex-Präsident Mubarak war schon vor Beginn des Wahlkampfes verboten worden.

Die Bewohner von Kairo und acht weiteren Provinzen hatten am Montag und Dienstag ihre Stimmen für das erste Parlament nach dem Sturz Mubaraks abgegeben. In den restlichen 18 Provinzen soll am 14. Dezember und am 3. Januar gewählt werden. Zwei Drittel der 498 Mandate werden an Kandidaten von Parteilisten vergeben, die übrigen Sitze gehen an Direktkandidaten. Über die meisten Direktmandate wird erst bei der für kommenden Montag geplanten Stichwahl entschieden.

Die Wahlbeteiligung in der ersten Runde wird auf 60 bis 70 Prozent geschätzt. Das ursprünglich für diesen Mittwoch angekündigte Wahlergebnis soll nun doch erst am Donnerstagabend bekanntgegeben werden, da die Stimmzettel in einigen Bezirken wegen Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung erneut überprüft werden sollen.

Auf dem Tahrir-Platz in Kairo, wo seit Tagen Demonstranten gegen den Obersten Militärrat protestieren, kam es in der Nacht zu einer wüsten Massenschlägerei, bei der nach Angaben des Gesundheitsministeriums 79 Menschen verletzt wurden.

Augenzeugen berichteten, die Gewalt habe begonnen, als die Aktivisten Straßenhändler vom Platz zu vertreiben versuchten. Viele der Demonstranten fühlen sich von den Straßenhändlern, deren Zahl in den vergangenen Tagen zugenommen hat, belästigt. Am Morgen kehrte wieder Ruhe in der Zeltstadt der Demonstranten ein.