Ex-Staatschef Gbagbo nun Untersuchungshäftling

Den Haag (dpa) - Ein Jahr nach dem Beginn blutiger Kämpfe mit Hunderten Toten in der Elfenbeinküste wird Ex-Präsident Laurent Gbagbo vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.

Der 66 Jahre alte mutmaßliche Kriegsverbrecher war zuvor aus seinem Heimatland nach Den Haag ausgeliefert worden. „Für die Opfer in der Elfenbeinküste wird es Gerechtigkeit geben“, versprach Chefankläger Luis Moreno-Ocampo am Mittwoch - wenige Stunden nach der Landung einer Sondermaschine mit Gbagbo an Bord auf dem Airport Rotterdam-Den Haag.

Die Staatsanwaltschaft beim „Weltstrafgericht“ ist überzeugt, dass Gbagbo „individuell strafrechtlich verantwortlich“ ist für „Morde, Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen auf dem Gebiet der Elfenbeinküste zwischen dem 16. Dezember 2010 und dem 12. April 2011“. Der Ex-Präsident wurde unmittelbar nach seiner Ankunft in das internationale Untersuchungsgefängnis im Haager Vorort Scheveningen gebracht.

Gbagbo ist nach dem jugoslawischen Ex-Staatschef Slobodan Milosevic und Sierra Leones gestürztem Präsidenten Charles Taylor das dritte ehemalige Staatsoberhaupt, das sich vor einem internationalen Gericht in Den Haag (IStGH) für mutmaßliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten muss. Milosevic wurde nie verurteilt, da er 2006 in der Scheveninger U-Haft starb. Das Urteil gegen Taylor wird vor Ende dieses Jahres erwartet.

Chefankläger Moreno-Ocampo verwies auf die Beispielwirkung für andere Konfliktregionen: „Führer müssen verstehen, dass Gewalt nicht länger eine Option ist, an die Macht zu kommen oder an der Macht zu bleiben.“

Wie erst am Mittwoch offiziell bestätigt wurde, hatte der IStGH gegen den ivorischen Ex-Staatschef, der in seiner Heimat unter Hausarrest stand, am 23. November einen geheimen internationalen Haftbefehl ausgestellt. Die Order wurde am Dienstag von den Behörden der Elfenbeinküste in der Ortschaft Korhogo vollstreckt.

Gbagbo hatte sich nach seiner Wahlniederlage im November 2010 geweigert, seinem gewählten Nachfolger im Präsidentenamt, Alassane Ouattara, die Macht zu übergeben. Bis zur Festnahme Gbagbos im April 2011 waren in den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen mindestens 1000 Menschen, nach einigen Angaben sogar mehr als 3000, zum Opfer gefallen. Laut UN-Schätzungen könnte der Ex-Präsident in einem Prozess für den Tod von mindestens 325 Menschen verantwortlich gemacht werden.

Moreno-Ocampo erklärte, es gebe „hinreichende Gründe“ anzunehmen, dass Truppen Gbagbos seinerzeit in der Hauptstadt Abidjan sowie im Westen der Elfenbeinküste gezielt Zivilisten angegriffen haben, die sie als Sympathisanten des gewählten Präsidenten ansahen. Die brutalen Anschläge sollen Teil eines von Gbagbo inszenierten Plans zur Erhaltung seiner Macht gewesen seien.

Der Beschuldigte und mehrere seiner Verbündeten sollen volle Kontrolle über ihre mordenden und brandschatzenden Truppen gehabt haben und deshalb persönlich für deren Verbrechen verantwortlich sein. Der Chefankläger verwies aber zugleich darauf, dass Gbagbo als unschuldig zu gelten hat, solange er nicht verurteilt wird. Er werde alle Rechte eines Angeklagten in Anspruch nehmen können, um sich zu verteidigen. Wann der Prozess eröffnet werden kann, war zunächst noch unklar. Sollte Gbagbo am Ende eines möglicherweise mehrjährigen Verfahrens schuldig gesprochen werden, droht ihm als Höchststrafe lebenslange Haft. Vor dem „Weltstrafgericht“, das nach jahrelangen Vorbereitungen 2003 seine Arbeit aufnahm, sind bislang 13 Fälle anhängig. Bei allen geht es um schwere Verbrechen in Ländern Afrikas.

Mehrere Haftbefehle des IStGH konnten nicht vollstreckt werden: Der wegen Kriegsverbrechen in der Provinz Darfur beschuldigte Staatschef des Sudan Omar al-Baschir konnte sich bisher der Festnahme entziehen. Die Vollstreckung eines IStGH-Haftbefehls gegen den einstigen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi wurde durch dessen Erschießung bei der Festnahme hinfällig. Dessen kürzlich festgenommenen Sohn Saif al-Islam wollen die neuen Machthaber in Libyen lieber selbst vor Gericht stellen und daher nicht nach Den Haag ausliefern.