Berlin und Moskau in Ukraine-Streit um Entspannung bemüht
Moskau (dpa) - Angesichts der Gefahr einer Eskalation der Gewalt in der Ukraine sind Deutschland und Russland um Entspannung bemüht. Die Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Sergej Lawrow mahnten am Freitag die zerstrittenen Lager in der ehemaligen Sowjetrepublik, eine Lösung zu finden.
Die Entscheidung über den Kurs ihres Landes liege bei den Ukrainern selbst. Lawrow sagte, es dürfe zwischen dem Westen und Russland nicht darum gehen, neue „Einflusszonen“ zu schaffen. Steinmeier betonte: „Wir müssen von der Vorstellung Abstand nehmen, dass die Ukraine Teil eines geopolitischen Schachspiels ist.“
Konkrete Fortschritte gab es bei dem zweitägigen Moskau-Besuch des SPD-Politikers allerdings nicht. Auf Überlegungen der Europäer, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) als Vermittler in Kiew ins Spiel zu bringen, ging Lawrow nicht ein. Stattdessen sagte er mit Blick auf die bisherigen Bemühungen von EU und USA: „Es ist weder besonders höflich noch korrekt, irgendwelche Emissäre tagtäglich und ohne Einladung nach Kiew zu schicken.“ In der OSZE hat derzeit die neutrale Schweiz den Vorsitz.
Für Steinmeier, der in der großen Koalition als Fürsprecher einer engen Zusammenarbeit mit Russland gilt, war es die erste Moskau-Reise seit der Rückkehr ins Auswärtige Amt. Am Nachmittag kam er für anderthalb Stunden auch mit Kreml-Chef Wladimir Putin zusammen. Nach Angaben aus Delegationskreisen begrüßte Putin ausdrücklich, dass es zwischen EU und Ukraine eine wirtschaftliche Annäherung gebe.
Nach Steinmeiers Worten sind sich beide Seiten einig darin, dass die deutsch-russischen Beziehungen „neue Impulse“ gebrauchen könnten. Der Begriff einer „Modernisierungspartnerschaft“ soll mit neuem Leben gefüllt werden. Erstmals sprach Steinmeier auch von einer deutsch-russischen „Positiv-Agenda“, in der gemeinsame Interessen gebündelt werden sollen. Er traf sich vor seinem Rückflug auch mit Vertretern der russischen Zivilgesellschaft wie der prominenten Bürgerrechtlerin Ljudmila Alexejewa und dem Chefredakteur der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“, Dmitri Muratow.
Im April stehen - nach anderthalb Jahren Pause - in Berlin die nächsten deutsch-russischen Regierungskonsultationen an. Zudem übernimmt Deutschland in diesem Jahr von Russland die Präsidentschaft der G8-Staaten. Seit Putins Rückkehr in den Kreml im Mai 2012 hat sich das deutsch-russische Verhältnis wieder verschlechtert.
Die größten Differenzen gab es zuletzt wegen der Ukraine. Steinmeier hatte Russlands Vorgehen, das Assoziierungsabkommen zwischen EU und Ukraine mit einem Milliardenkredit zu verhindern, „völlig empörend“ genannt. Am Freitag bekräftigte er: „Es sollte niemand ein Interesse daran haben, Feuer an der Lunte dieses Pulverfasses zu entzünden.“ International gibt es die Befürchtung, dass es in Kiew nach dem Ende der Olympischen Winterspiele in Sotschi zu massiver Gewalt kommt.
Der SPD-Politiker warnte vor einem Tauziehen um die krisengeschüttelte Ex-Sowjetrepublik. „Das ist ein Zustand, der nicht hilfreich war für die Entwicklung der Ukraine und das Verhältnis zwischen Russland und der EU.“ Russland und die EU müssten der Ukraine die „Möglichkeit geben, zu sich selbst zu kommen - ohne dass sie dem dauerhaften Druck ausgesetzt ist, sich für den einen oder anderen zu entscheiden“. Lawrow sagte ebenfalls, die Lösung müsse „von den Ukrainern selbst“ entwickelt werden.
Insgesamt bezeichnete der russische Außenminister die Beziehungen zwischen Moskau und Berlin als offenen Dialog, in dem es auch „keine Tabuthemen“ gebe. Abermals warb er für die russische Idee einer euro-asiatischen Freihandelszone von Wladiwostok bis Lissabon. Steinmeier sagte: „Sprachlosigkeit zwischen Moskau und Berlin wäre die falsche Antwort. Wir brauchen mehr Dialog. Wir brauchen mehr Austausch.“