Bewährung für Frankreichs Ex-Präsidenten Chirac

Paris (dpa) - Frankreichs Ex-Präsident Jacques Chirac ist in einem als historisch angesehenen Prozess zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Ein Gericht in Paris befand den 79-Jährigen wegen Veruntreuung und Vertrauensbruchs zu seiner Zeit als Pariser Bürgermeister schuldig.

Die Staatsanwaltschaft hatte Ende September auf Freispruch plädiert, da sich keine Straftat nachweisen lasse. Chirac nahm am Prozess nicht teil. Nach einem medizinischen Gutachten leidet der Altpräsident an Gedächtnisstörungen und kann auf Fragen nach seiner Vergangenheit nicht mehr antworten.

Chirac ist der erste französische Präsident überhaupt, der sich vor Gericht verantworten musste. Die Anklage bezog sich auf seine Zeit als Bürgermeister von Paris (1977-1995), als er Parteifreunden aus Gefälligkeit Jobs zugeschustert hatte. 28 Männer und Frauen sollen auf der Gehaltsliste des Rathauses gestanden haben, in Wirklichkeit aber vor allem für Chiracs Partei - die RPR - gearbeitet haben. Die RPR ist Vorgängerpartei der heutigen Regierungspartei UMP.

Chirac hat stets bestritten, etwas Illegales getan zu haben. Seine Adoptivtochter Anh Dao Traxel äußerte sich im TV-Sender BFM entsetzt über das „harte“ Urteil: „Für die Familie ist das sehr schmerzhaft.“

Der Anwalt der Antikorruptionsorganisation Anticor, Jérôme Karsenti, sprach von einer „historischen Entscheidung der Justiz“, die für die Zukunft der französischen Demokratie extrem wichtig sei. Karsenti betonte: „Das ist eine Botschaft an alle Politiker. (...) Das ist auch der Beleg für eine reife, transparente Demokratie.“ Die Organisation hatte öffentlichen Druck aufgebaut für den Prozess, aber sich vergeblich um eine Zulassung als Nebenkläger bemüht.

Chiracs Anwalt Georges Kiejman betonte im Nachrichtensender BFM, er werde mit seinem Mandanten zunächst die Begründung des Urteils studieren. Danach werde über die weiteren Schritte entschieden. „Wir werden heute Abend sehen, ob er das Urteil anerkennen wird.“

Während Vertreter der konservativen UMP-Partei ihre Solidarität mit Chirac bekräftigten, sagte der Präsidentschaftskandidat der Sozialisten, François Hollande: „Der Gerechtigkeit ist Genüge getan, und das war nötig, damit kein Gefühl der Straflosigkeit aufkommt.“ Auch er habe aber Mitgefühl für den Menschen Chirac. Hollande hatte im September vorgeschlagen, die Immunität des Präsidenten aufzuheben, damit die Justiz bei solchen Fällen früher aktiv werden kann.

Um die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung zu verringern, hatten sich Chirac und die UMP im vergangenen Jahr mit dem Pariser Rathaus auf eine Entschädigungszahlung geeinigt. Gegen 2,2 Millionen Euro verzichtete die Stadt darauf, als Nebenklägerin aufzutreten. Im März war der Prozess wegen einer Verfassungsklage eines Mitangeklagten gleich nach der Eröffnung abgebrochen worden. Die Klage wurde später abgewiesen.

Chirac war während seiner Zeit als Staatspräsident (1995-2007) vor jeder Strafverfolgung geschützt. Die Anklage war erst nach seinem Ausscheiden aus dem Amt möglich geworden. Als eine mögliche Folge der Verurteilung droht ihm nach französischen Medien nun auch noch die Aberkennung des Großkreuzes der Ehrenlegion, sollte sie rechtskräftig werden.