Brasilien will Waldschutz lockern
Brasília (dpa) - Während in Durban über eine Begrenzung der CO2- Emissionen gefeilscht wird, setzt Brasiliens Senat die Axt am Waldschutz an. Ein neues Gesetz sieht Straffreiheit für illegale Abholzungen vor.
Präsidentin Rousseff hatte ganz anderes versprochen.
Die zweite Kammer des brasilianischen Kongresses stimmte nach stundenlanger Debatte in der Nacht zum Mittwoch dem Entwurf des „Código Florestal“ zu, der nun dem Abgeordnetenhaus zugeleitet wird und vor In-Kraft-Treten von Präsidentin Dilma Rousseff unterzeichnet werden muss. Die Umweltschutzorganisationen WWF und Greenpeace sprachen von einem „fatalen Signal“ und einem „Tag der Schande“.
Die Änderungen sehen unter anderem Straffreiheit für illegale Abholzungen vor, wenn sie vor 2008 geschahen und die betroffenen Flächen wieder aufgeforstet werden. Kleinere Landbesitzer mit bis zu etwa 400 Hektar Fläche sollen auch von dieser Auflage befreit werden. Zudem sollen landwirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten an Hangflächen ausgeweitet, Schutzzonen an Flussufern verringert und gesetzlich fixierte Mindestquoten für Naturflächen unter bestimmten Bedingungen reduziert werden.
Die Regenwaldabholzung wird in Brasilien für nahezu zwei Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich gemacht. Bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 hatte sich das fünftgrößte Land der Welt verpflichtet, die CO2-Emissionen bis 2020 um 39 Prozent und die Waldabholzung um 80 Prozent zu verringern. Staatschefin Rousseff bekräftigte diese Ziele mit Blick auf die laufende UN-Konferenz in Durban und mahnte am Dienstag eine Neuauflage des Kyoto-Protokolls zum Klimaschutz an.
Die Staatschefin hatte 2010 im Wahlkampf angekündigt, keinem Gesetz zuzustimmen, das die Regenwaldzerstörung begünstigt oder Amnestie-Regelungen für illegale Abholzungen enthält. Die Ex-Umweltministerin und frühere Präsidentschaftskandidatin Marina Silva, eine der prominentesten Gegnerinnen der Gesetzesnovelle, mahnte bereits das Veto der Präsidentin an. „Der Text des Código Florestal ist gut - für den, der abgeholzt hat“, kritisierte Silva.
Kurz vor der Abstimmung im Senat hatte das Nationale Institut für Weltraumforschung (INPE) am Dienstag einen Rückgang der Abholzung im Amazonas gemeldet. Danach wurden von August 2010 bis Juli 2011 rund 6238 Quadratkilometer und damit 11,7 Prozent weniger Waldfläche abgeholzt als im entsprechenden Vorjahreszeitraum 2009/2010. Diese Tendenz sieht der WWF stark gefährdet: Durch die Gesetzesnovelle könnten bis zu 765 000 Quadratkilometer Waldfläche zerstört werden, was dem Gebiet von Deutschland, Österreich und Italien zusammen entspreche, warnte die Organisation.