Charles Taylor: Schuldspruch — aber Zweifel bleiben
Die Richter des Tribunals geben dem Ex-Präsidenten Charles Taylor nur eine Mitschuld an den Gräueltaten in Sierra Leone.
Den Haag/Addis Abeba. Wie ein schnieker Staatsmann erschien Charles Taylor am Tag der Entscheidung im Den Haager Gerichtssaal. In dunkelblauem Maßanzug, mit bordeauxroter Krawatte und dezenter Brille lauschte der 64-Jährige konzentriert und ernst der Urteilsverlesung von Richter Richard Lussick.
Die Frage lautete: Ist der liberianische Ex-Präsident ein Monster, ein unbarmherziger Warlord, der im Nachbarland Sierra Leone maßgeblich zum blutigen Bürgerkrieg mit 120 000 Toten beigetragen hat?
Ist er ein Mörder, ein Vergewaltiger, ein Rekrutierer von Kindersoldaten, ein Kriegstreiber, der sich mit Blutdiamanten bezahlen ließ? Oder ist er unschuldig? Ein netter Politiker und Familienvater, wie er selbst immer beteuert hat?
Überraschenderweise fiel die Antwort der Richter nicht ganz so eindeutig aus, wie viele gehofft hatten. Trotzdem: Mit dem Urteil wird Geschichte geschrieben.
Taylor habe „geholfen“ und „angestiftet“, befanden die Zuständigen. Aber dass er der Befehlshaber war, der Gräueltaten kommandierte, dass er gar der Drahtzieher des Konfliktes war — das habe die Staatsanwaltschaft nicht zweifelsfrei beweisen können.
Chefanklägerin Brenda Hollis sagte nach dem Gerichtstermin vor Journalisten, dass die Staatsanwaltschaft nun genau untersuchen müsse, warum die Richter Zweifel an der Rolle Taylors gehabt hätten.
Dennoch: Charles Taylor ist mitschuldig an den Kriegsverbrechen in Sierra Leone, unter denen vor allem die Zivilbevölkerung zu leiden hatte. Bevor westafrikanische Friedenstruppen das Gemetzel 1999 beendeten. Damit ist er das erste ehemalige Staatsoberhaupt, das seit den Nürnberger Prozessen von einem internationalen Gericht zur Rechenschaft gezogen wird.
„Die Tage, an denen Tyrannen und Massenmörder (. . .) sich in einem anderen Land in ein Luxusleben zurückziehen konnten, sind vorbei“, sagte UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay in einer ersten Reaktion und bezeichnete das Urteil des Tribunals als „historischen Moment“. Die Entscheidung sei „eine Warnung für andere Staatschefs, die ähnliche Verbrechen begehen oder im Begriff sind, dies zu tun“.
Das Urteil von Donnerstag schließt ein äußerst dunkles Kapitel der afrikanischen Geschichte ab. Für das westafrikanische Land ist es an der Zeit, nach vorne zu blicken. Das Urteil stelle einen entscheidenden Schritt dar, um dem Staat und seinen Bürgern dabei zu helfen, die Vergangenheit zu überwinden.
Für wie viele Jahre Charles Taylor nun hinter Gitter muss, wird erst in den nächsten Wochen entschieden. Jedenfalls wird er seine Strafe in Großbritannien absitzen. Allerdings wird er vermutlich Berufung gegen das Urteil einlegen.