Chef der Berlusconi-Partei stellt sich gegen Berlusconi
Rom (dpa) - Kurz vor der entscheidenden Kraftprobe im Parlament hat Italiens Ministerpräsident Enrico Letta überraschend Unterstützung aus der Partei von Silvio Berlusconi bekommen. PdL-Chef Angelino Alfano rief seine Abgeordneten auf, sich hinter Letta zu stellen.
Damit würde sich die Partei Volk der Freiheit (PdL) gegen den Kurs von Silvio Berlusconi wenden, ihr droht eine Zerreißprobe. „Ich bleibe fest überzeugt, dass unsere gesamte Partei für das Vertrauen in Letta stimmen sollte“, sagte Alfano.
Nach dem Rückzug der fünf PdL-Minister aus der Regierung auf Druck Berlusconis will Letta am Mittwoch im Parlament klären, ob seine Regierung noch eine Mehrheit hinter sich hat. Er hatte angekündigt, in beiden Kammern die Vertrauensfrage stellen zu wollen. Sollte er diese verlieren, müsste er zurücktreten. Staatschef Giorgio Napolitano hätte es dann in der Hand, eine Übergangsregierung mit begrenztem Auftrag einzusetzen oder - wie von Berlusconi gewollt - sofort Neuwahlen auszuschreiben.
Berlusconis PdL-Partei ist kurz vor der entscheidenden Abstimmung massiv von der Spaltung bedroht. „Ich werde nur das Vertrauen aussprechen, wenn mich Silvio Berlusconi danach fragt. Niemand anderes“, sagte Berlusconis Ex-Kulturminister und PdL-Senator Sandro Bondi nach Alfanos Aufruf. Auch andere Senatoren betonten, dass sie weiter an Berlusconis Maßgabe festhalten wollten.
Es mehrten sich jedoch auch die Stimmen für Alfanos Kurs. „Wir sind genug Leute, wir sind mehr als 40, und wir sind entschlossen, das Gleichgewicht in der Regierung aufrecht zu erhalten. Deshalb werden wir für das Vertrauen stimmen“, betonte der Abgeordnete Carlo Giovanardi. „Die Regierung zu stürzen ist jedenfalls ein Missgriff für Berlusconi, die PdL und Italien“, erklärte der frühere PdL-Parlamentssprecher Fabrizio Cicchitto in „La Repubblica“.
Berlusconi hatte seine Partei zuvor zur Einigkeit aufgerufen. Er kritisierte am Dienstagabend in einem Brief an die Zeitschrift „Tempi“ Letta und Napolitano als unzuverlässig. Sie hätten einen großen Teil ihrer Glaubwürdigkeit verspielt, als sie es nicht geschafft hätten, ihm Immunität zuzusichern. „Obwohl ich alle Risiken verstehe, die ich auf mich nehme, habe ich mich entschieden, der Regierung Letta ein Ende zu bereiten“, schrieb Berlusconi.
Lettas Chancen für einen Fortbestand der Regierung hängen davon ab, wie viele PdL-Parlamentarier und Abgeordnete der Opposition ihm das Vertrauen aussprechen. Doch selbst wenn er damit rechnen könnte, dass eine Reihe von Berlusconi-Senatoren auch nach dem Bruch der Koalition auf seiner Seite sind, bereitete er eine Art Abschiedsrede vor. Letta hat immer betont, nicht um jeden Preis im Amt bleiben zu wollen, obwohl Italien in seiner tiefen Krise Stabilität brauche.
Nach dem Scheitern der Koalition aus der Mitte-Rechts-Partei PdL und der linken PD (Demokratische Partei) richtet sich der Blick verstärkt auf Napolitano. Dieser will keine Neuwahlen, solange nicht eine Wahlrechtsreform ein neues Patt wie bei den Wahlen im Februar verhindern könnte. Als möglicher Chef einer Übergangsregierung wird der Finanz- und Wirtschaftsminister Fabrizio Saccomanni gehandelt.