In den USA gehen die Lichter aus
Erstmals seit 17 Jahren ist die öffentliche Verwaltung lahmgelegt. Präsident Obama wirft Republikanern Erpressung vor.
Washington. Einsam schleicht ein Taxi durch die leer gefegten Hauptstraßen der Stadt, in der Finsternis blinken die Ampeln. Nur die strahlend weißen Säulen des Kapitols sind in dieser Nacht noch hell erleuchtet, wo der Kongress einen heiklen, fast schon historischen Schritt gewagt hat: die Stilllegung der öffentlichen Verwaltung. Damit gehen nicht nur in der Metropole die Lichter aus, sondern in den ganzen USA.
Nicht weniger als rund 800 000 Staatsbedienstete müssen ab sofort einen unbezahlten Zwangsurlaub antreten, weil die heillos zerstrittenen Mitglieder des Kongresses sich nicht auf einen Haushalt einigen konnten. Sie redeten und redeten, stellten Anträge, gaben Stimmen ab. Doch je länger diskutiert, erklärt und gestritten wurde, desto näher rückte die bedrohliche „Stunde Null“: Um Mitternacht, dem Glockenschlag zum 1. Oktober, begann in der größten Volkswirtschaft der Welt das neue Haushaltsjahr. Allerdings ohne einen gültigen Haushalt.
Aufgebracht machten die Abgeordneten ihrem Ärger in der nächtlichen Debatte Luft. „Das ist verrückt!“, rief James Moran, Demokrat aus Virginia, den Mitgliedern der Parlamentskammer zu. „Unsere Gründer wären beschämt über das, was aus dem Kongress geworden ist“, wetterte er. Als „Geiselnahme“ bezeichnete die Abgeordnete Barbara Lee das, was die Republikaner zur Abstimmung brachten: Einen Gesetzentwurf, mit dem die Regierung zwar einige Wochen finanziert würde, der zugleich aber die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama verzögern und damit fürs Erste auf Eis legen würde.
Allen war klar, dass solch eine Vorlage es nicht durch den mehrheitlich von Demokraten besetzten Senat schaffen würde. Obama selbst hatte für diesen Fall gar mit einem Veto gedroht.
Obama warf den Republikanern „Erpressung“ vor. Vor drei Jahren hatte der Präsident seine Gesundheitsreform durch den Kongress gebracht; die Republikaner versuchen seither beharrlich, das Werk wieder zu Fall zu bringen.
Der Termin für den aktuellen Frontalangriff ist nicht zufällig gewählt: Seit gestern können die Menschen in den USA in speziellen Internet-Börsen die Preise von Krankenversicherungen vergleichen, ab dem 1. Januar 2014 wird der Abschluss einer Police Pflicht — sonst droht ein Strafgeld.
Der Konflikt um Obamacare könnte auch die nächste Runde des Haushaltsstreits überschatten: Am 17. Oktober erreichen die USA voraussichtlich die gesetzliche Schuldenobergrenze. Der Kongress muss das Limit anheben, damit Washington seine Verbindlichkeiten auf den Finanzmärkten bedienen kann. Dann stehen nicht mehr nur das Gehalt von Staatsdienern und die Öffnungszeiten von Nationalparks auf dem Spiel — sondern die Zahlungsfähigkeit der weltgrößten Volkswirtschaft.