Dänen entmachten Rechte
Erstmals sitzt mit Helle Thorning-Schmidt eine Frau an der Spitze der Regierung. Auf sie warten schwere Aufgaben.
Kopenhagen. Die Dänen mögen ganz offensichtlich Paradoxe: Den Sozialdemokraten bescherten sie bei der Wahl am Donnerstag das schlechteste Ergebnis seit 108 Jahren. Und machten gleichzeitig für Parteichefin Helle Thorning-Schmidt den Weg frei, die erste Frau an der Spitze einer dänischen Regierung zu werden.
„Wir haben es geschafft, und wir haben heute Geschichte geschrieben“, rief die designierte Ministerpräsidentin ihren Parteifreunden in der Wahlnacht zu. Thorning-Schmidt meinte aber damit keineswegs den netten Ehrentitel als „erste Frau“. Unüberhörbar wichtiger war der 44-Jährigen, dass zehn Jahre mit massiver bürgerlicher und rechtspopulistischer Dominanz vor allem bei der Ausländerpolitik beendet sind.
Pia Kjærsgaard, Chefin der betont zuwanderungs- und islamkritischen Partei DF (Dänische Volkspartei) machte ihrerseits keinen Hehl daraus, dass sie über den Verlust der Rolle als Mehrheitsbeschafferin für die Mitte-Rechts-Minderheitsregierung in Kopenhagen traurig ist: „Eigentlich hat ja nur unsere Partei auf Dänemark aufgepasst.“
Sie meinte zum Beispiel den Deal dieses Sommers, als ihre Volkspartei erweiterte Grenzkontrollen durchboxte — als Gegenleistung für ihre Zustimmung zu den Renten-Einschnittsplänen des rechtsliberalen Regierungschef Lars Løkke Rasmussen. Mit dieser Art von Kuhhandel zur Durchsetzung von immer neuen Verschärfungen in der Ausländerpolitik ist nun Schluss.
Thorning-Schmidt will die in der EU wie im eigenen Land überwiegend mit Kopfschütteln bedachten Grenzkontrollen wieder streichen. Das wird noch eine der leichtesten Übungen. Denn mit dem miserablen eigenen Wahlergebnis und den umso überzeugenderen Erfolgen für die Sozialliberalen und die linke Einheitsliste sind zwei Partner überraschend stark geworden.
Während die kommende Regierungschefin ihre Partei auf eine weitgehende Anpassung an die harte dänische Linie beim Ausländerrecht eingeschworen hat, stehen Sozialliberale und die Einheitsliste klar dagegen. Sie haben nach Überzeugung der Wahlforscher genau deshalb so gut abgeschnitten.
Das wird kompliziert, darin waren sich am Freitag alle Beobachter einig. Aber zu den allseits geschätzten Traditionen der politischen Kultur in Dänemark gehört der Wille zu Konsens und Flexibilität. Mehr als alles andere war nach der Wahl bei Mitte-Links die Erleichterung über die Entmachtung der Rechtspopulisten zu spüren. Sogar die rechtsliberale Zeitung „Jyllands-Posten“ stimmte in diesen Chor ein und meinte: „Bis weit hinein in bürgerliche dänische Kreise ist man sich einig, dass die Regierungszusammenarbeit der Rechtsliberalen und der Konservativen mit den Rechtspopulisten die politische Kultur kaputtgemacht hat.“