„Das hätte ich nicht gedacht“ — Bergoglio ist die große Überraschung
2005 war der Argentinier der schärfste Konkurrent von Joseph Ratzinger. Diesmal hatten viele Kardinäle ihn nicht mehr auf dem Plan.
Rom. Es ist fast schon Mitternacht, als in der Nähe des vatikanischen Gästehauses Santa Marta Rollkoffer über das Pflaster rattern. Die Kardinäle haben ihre Pflicht getan. Sie haben Kardinal Jorge Mario Bergoglio zum neuen Papst gewählt und dürfen schon nach zwei Tagen nach Hause. Auch viele Kardinäle müssen die überraschende Entscheidung noch verarbeiten: „Das hätte ich nie gedacht“, sagt Kardinal Karl Lehmann aus Mainz nach der Wahl. Auch der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner gesteht: „An Bergoglio habe ich nicht gedacht.“
Teilnehmer des Konklave sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Doch italienische Zeitungen berichten: Nicht die angeblichen Favoriten wie der Italiener Angelo Scola oder der Brasilianer Odilo Pedro Scherer gingen aus dem ersten Wahlgang am Dienstag gestärkt hervor. Eine ganze Masse aus Kandidaten bekam Stimmen, unter ihnen stach ein alter Bekannter der Kardinäle heraus, nämlich Bergoglio.
Der Erzbischof von Buenos Aires war zwar beim Konklave 2005 der schärfste Rivale Joseph Ratzingers und hatte damals zu dessen Gunsten zurückgesteckt.
Die Zeitungen berichten weiter, Bergoglio habe im zweiten und dritten Wahlgang am Mittwochmorgen dann noch keinen durchschlagenden Erfolg gehabt. Dann sei die Wende gekommen: Das karge Mittagessen im Gästehaus habe dazu gedient, einige wichtige Fragen zu klären und dem Verlauf des Konklave den entscheidenden Schub zu geben.
Dann geht es schnell: Der zweite Wahlgang am Nachmittag, insgesamt der fünfte, reicht aus.
Das Alter lässt von Bergoglio (76) kein besonders lange dauerndes Pontifikat erwarten, auch das brachte raschen Konsens. Zudem ist sein Verhältnis zur Kurie konfliktfrei. Der Jesuit ist weder ein Feind noch ein Freund der Kurie. Er steht ihr eher fern, hat aber die Durchsetzungsfähigkeit, wichtige Entscheidungen zu fällen.