EU-Austritt könnte für die Briten teuer werden
Die Kritiker warnen vor wirtschaftlichen Verlusten und einer Gefahr für den Finanzplatz London.
London. In Großbritannien sind die EU-Gegner zu einer mächtigen Bewegung angewachsen, die Premierminister David Cameron vor sich hertreibt. Der „Brexit“, wie der Ausstieg der Briten aus der Union inzwischen mit einem Kunstwort aus Britain (Großbritannien) und Exit (Ausstieg) umschrieben wird, ist zur realistischen Perspektive geworden. Dabei steht für die Briten viel auf dem Spiel.
Die Befürworter wollen, dass die Briten ihre Grenzen wieder selbst kontrollieren und so Arbeitsmarkt und Sozialsystem vor zu viel Zuwanderung schützen können. Außerdem soll der vermeintlichen „Regulierungswut“ der EU ein Riegel vorgeschoben werden. Viele halten die EU für zu teuer, weil die Briten mehr in den großen Topf einzahlen, als sie an Fördergeldern wieder herausbekommen.
Selbst nach optimistischen Schätzungen würde der Wohlstand bei einem EU-Austritt um rund 1,1 Prozent sinken, im schlechtesten Fall um mehr als drei Prozent. Verkürzt lautet die These, dass die Verluste beim Handel — etwa durch Zölle — größer sind als eingesparte Kosten.
Die Briten könnten im Europäischen Wirtschaftsraum bleiben mit freiem Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr — wie die Norweger. Dann müssten sie auch Regulierungen beibehalten. Denkbar wäre auch das Schweizer Modell, also ein bilateraler Vertrag oder eine Zollunion wie mit der Türkei.
Herz der britischen Wirtschaft ist der Finanzsektor. „Frankreich und Paris würden alles tun, um Londons enormen Anteil an internationalen Finanzgeschäften zu verlagern“, glaubt Michael Emerson vom Centre für European Policy Studies. Das Centre for European Reform argumentiert sogar, dass seit der Finanzkrise das Königreich beim Regulieren sogar eher strenger war als die EU. Der „Brexit“ würde die City, das Finanzzentrum von London, deshalb nicht befreien, sondern schwächen, glauben die Experten. Es zählen Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit — beides sehen sie innerhalb der EU eher gewährleistet.
Unternehmen der EU würden nach Emersons Einschätzung möglicherweise zögern, weiterhin in Großbritannien zu investieren. Das glauben einer Untersuchung zufolge auch drei Viertel der Unternehmen der britischen Autoindustrie. Ihr Branchenverband warnt, der freie Zugang zum wichtigsten Markt EU dürfe nicht verloren gehen.