Ex-Topterrorist „Carlos“ sieht sich als Polit-Opfer
Paris (dpa) - Im Prozess gegen den einstigen Top-Terroristen „Carlos“ hat die Verteidigung den Venezolaner in ihrem Schlussplädoyer als Polit-Opfer und Widerstandskämpfer dargestellt.
Zum Ende des sechswöchigen Verfahren versuchte seine Anwältin Isabelle Coutant-Peyre am Donnerstag, dem bereits zu lebenslanger Haft verurteilten Ilich Ramirez Sanchez alias „Carlos“ ein erneutes „Lebenslänglich“ zu ersparen. Ihm wird vorgeworfen, hinter vier Attentaten 1982/1983 auf Züge, Bahnhöfe und eine Zeitung zu stecken.
Die Pariser Staatsanwaltschaft hatte zuvor das Bild eines von Gewalt und Tötungswillen besessenen Mannes ohne Reue oder Mitgefühl für die Opfer der ihm vorgehaltenen Anschläge gezeichnet.
Carlos begann seine Schlussbemerkungen in seiner verglasten Angeklagtenbox in einer freien Rede auf Französisch. Ein Heft in Händen haltend, betonte er, vom Kampf der Palästinenser überzeugt gewesen zu sein. Wild gestikulierend meinte er zum Auftakt seiner Rede, es gebe in der Klageschrift keine Details. Die aber seien wichtig. Je nach Dauer der letzten Bemerkungen des Angeklagten wird ein Urteil des Geschworenengerichts am späten Donnerstagabend oder Freitagmorgen erwartet.
In dem Terrorprozess geht es um vier Anschläge mit 11 Toten und rund 150 Verletzten aus den Jahren 1982/83 - Bombenanschläge auf einen Zug Paris-Toulouse am 29. März 1982, auf den Pariser Sitz des arabischen Magazins „Al Watan Al Arabi“ am 22. April 1982 sowie einen Doppelanschlag am 31. Dezember 1983 auf einen Hochgeschwindigkeitszug Marseille-Paris und den Bahnhof in Marseille. Laut Anklage hatte Carlos die Anschläge in Auftrag gegeben, um die Freilassung zweier Komplizen zu erzwingen.
Coutant-Peyre - die den einstigen Top-Terroristen 2001 in einer islamischen Zeremonie ohne Rechtskraft „geheiratet“ hatte - betonte vor allem rechtliche Bedenken gegen belastende Akten, die aus Beständen von Ostblock-Geheimdiensten stammen, darunter der Stasi. Sie spielten eine tragende Rolle in dem Prozess und hatten das Verfahren knapp drei Jahrzehnte später erst ermöglicht. Mangels Originalen habe man mit fotokopierten Dokumenten versucht, ein Monstrum aus einem Revolutionär zu machen, betonte Coutant-Peyre.