Experten: Schon 3500 Tote durch Drohnenkrieg
Die fliegende Waffe ist höchst umstritten. Unter den Opfern ist der Wuppertaler Bünyamin E.
Wuppertal. Im modernen High-Tech-Krieg wird auf Knopfdruck und ohne eigenes Risiko getötet. Die Soldaten sitzen Tausende Kilometer entfernt und sehen Bilder, die ihnen die Kampfdrohnen per Satellit auf den Bildschirm schicken. Einer davon war der US-Amerikaner Brandon Bryant. „Wir haben auf diese Jungs gefeuert, nur weil sie Waffen hatten“, erinnert er sich an einen Angriff auf eine Gruppe von Männern in Pakistan mit umgehängten Gewehren. Terroristen? Vielleicht. „Sie hätten aber auch Bauern sein können“, sagt Bryant. Bauern, die sich zum Schutz gegen Taliban bewaffnet hatten. Bryant erklärt heute, er brauche Hilfe, er träume „in Infrarot“.
Die „Story“-Dokumentation von John A. Kantara und Michael Fräntzel offenbart dank einer umfassenden Recherche die ganze Fragwürdigkeit des Drohnenkriegs. Laut Stephan Sonnenberg, Völkerrechtler der Stanford University, seien unter den Opfern nur zwei Prozent „Führungspersonen“ aus der Terrorszene gewesen, dagegen habe es zwischen 3000 und 3500 Tote gegeben, von denen man nicht einmal die Namen kenne.
Die Autoren suchen nach Verbindungen mit Deutschland. Dokumente der Air Force würden belegen, dass der US-Stützpunkt Ramstein als Brückenkopf genutzt werde, heißt es. Von dort würden die Satellitensignale aus den USA in die Einsatzgebiete weitergeleitet. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) reagiert nicht gerade so, als sähe er darin ein Problem: „Wir freuen uns über die deutsch-atlantische Partnerschaft seit Jahrzehnten, und das schließt auch Kommandostrukturen in Deutschland ein.“
Das „Euro-Hawk“-Desaster spielt in dem Film nur am Rande eine Rolle, etwas ausführlicher geht es um den Plan der Luftwaffe, bis zum Jahr 2016 selbst bewaffnete Drohnen anzuschaffen. Die Bedenken, dass bei Drohnen-Einsätzen der Bundestag umgangen werden könnte, bezeichnet de Maizière als „bösartige Unterstellung“. Zu den Drohnen-Opfern zählt auch ein Deutscher: Bünyamin E. aus Wuppertal.
Als Augenzeugin tritt seine Schwägerin Chadia auf, die, voll verschleiert und in perfektem Deutsch, von dem Angriff auf das Haus der Familie im pakistanischen Wasiristan berichtet. Fünf Menschen starben. Wasiritan ist das Gebiet, das Taliban und islamistische Terroristen als Rückzugsort nutzen. „Ist das der richtige Ort für eine Familie aus Wuppertal?“, heißt es im Kommentar etwas scheinheilig. Nahelegend, dass die Familie wenigstens zeitweise Sympathien mit der islamistischen Szene hegte.
Die Bundesanwaltschaft stufte Bünyamin E. sogar als „Angehörigen einer bewaffneten Gruppe“ ein, der Angriff sei deshalb kein Kriegsverbrechen gewesen. Man erfährt nicht, auf welcher Basis diese Einschätzung getroffen wurde. Die Autoren halten das nicht für erwiesen und stellen die richtige Frage: Selbst wenn Bünyamin Gruppenmitglied war: „Wer bekäme das Recht, ihn mit einer Drohne zu töten?“
In Frankfurt steht Bünyamins Bruder und Chadias Ehemann Emrah wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor Gericht. „Im Gegensatz zu Bünyamin wird Emrah die Chance haben, sich zu verteidigen“, kommentieren die Autoren.