Gauck dankt Frankreich für Willen zur Versöhnung

Oradour-sur-Glane/Paris (dpa) - Mit einer Geste der Versöhnung haben die Präsidenten von Deutschland und Frankreich das Zusammenwachsen beider Länder nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs gewürdigt.

Hand in Hand ließen sich Bundespräsident Joachim Gauck und Frankreichs Präsident François Hollande im französischen Oradour-sur-Glane das dortige Massaker schildern. In dem kleinen Ort hatten Soldaten der Waffen-SS 1944 mehr als 600 Franzosen ermordet.

Gauck würdigte Frankreich für den Geist der Zusammenarbeit nach den Gräueltaten. Er danke „im Namen aller Deutschen dafür, dass Sie uns mit diesem Willen zur Versöhnung gegenübertreten“, sagte er vor Überlebenden und Angehörigen von Opfern. Gauck besuchte als erster Bundespräsident Oradour.

„Dieser Ort und seine Bewohner wurden in einem barbarischen, in einem zum Himmel schreienden Verbrechen vernichtet“, sagte Gauck. So großherzig die Geste der Versöhnung auch sei, „so kann sie mich doch auch nicht von dem tiefen Entsetzen befreien angesichts der großen Schuld, die Deutsche an diesem Ort auf sich geladen haben“. Gauck versprach: „Wir werden Oradour und die anderen europäischen Orte des Grauens und der Barbarei nicht vergessen.“

Gauck sagte, er teile die Bitterkeit darüber, dass Mörder nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. „Aber aus der ernsthaften Auseinandersetzung mit dieser bitteren Geschichte haben die Menschen in Deutschland die Kraft gewonnen, mein Heimatland zu einem guten Land zu machen.“ Deutschland wolle nicht über oder unter anderen Ländern stehen, „es will Europa bauen, aber nicht beherrschen“.

Auf französischer Seite wurde der Besuch in Oradour in einer Linie gesehen mit der Versöhnungsgeste von Verdun, zu der sich 1984 der damalige Präsident François Mitterrand und Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl trafen.

In Paris hatte Gauck zuvor die zunehmende Rolle Europas als Gestalter globaler Politik gewürdigt. „Die Europäische Union ist längst kein Akteur mehr, der nur in die Mitgliedstaaten hinein wirkt“, sagte der Bundespräsident. Europa finde seine Legitimation nicht nur durch die Vorteile wirtschafts- und finanzpolitischer Integration, „sondern auch durch den Willen, gemeinsam Außenpolitik zu gestalten“.

Frankreich habe im Einsatz gegen Terror und für den Frieden immer wieder „mutig die Initiative ergriffen“. Deutschland sei bereit, daran mitzuwirken. Als Beispiele nannte Gauck die Einsätze in Afghanistan, Südosteuropa, am Horn von Afrika oder in Mali. „Die Sicherung und Wiederherstellung von Frieden weltweit liegt in unser aller Interesse“, sagte der Bundespräsident. Dazu sei nicht nur Solidarität notwendig, „sondern auch gemeinsames Handeln“.

Bereits am Dienstag hatte Gauck Frankreich in der Syrien-Frage inhaltlich unterstützt. Es sei unerträglich und entsetzlich, dass Tabu- und Rechtsbrüche wie der Einsatz von Giftgas die Welt heute erschrecken könnten. Dies erfordere „eine angemessene Reaktion“, sagte Gauck nach einem ersten Treffen mit Hollande.

Zum Auftakt des zweiten Besuchstages legte Gauck am Grabmal des unbekannten Soldaten am Pariser Arc de Triomphe einen Kranz nieder. Die Geste hat wegen der in Frankreich besonders großen Bedeutung des Ersten Weltkriegs ein Jahr vor dem 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs besonderes Gewicht.

Zum Abschluss seines dreitägigen Staatsbesuchs fliegt Gauck an diesem Donnerstag nach Marseille, die europäische Kulturhauptstadt 2013. Gauck wird von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt begleitet.