Interview: „Ein Triumph für die Taliban“

Oberst Norbert Sabrautzki über den Anschlag von Talokan.

Kundus. Der Selbstmordanschlag in Afghanistan erschüttert die Bundeswehr. Unsere Redakteurin Anja Clemens-Smicek sprach darüber mit dem Kommandeur des Lagers in Kundus, Oberst Norbert Sabrautzki.

Die Taliban feiern den Selbstmordanschlag von Talokan als Propagandasieg. Zu Recht?

Sabrautzki: Natürlich ist das für die Taliban ein großer strategischer Sieg, den wir ihnen gerne verwehrt hätten. Noch lässt sich aber nicht abschätzen, was der Tod des Polizeichefs der Nordprovinz für die Sicherheit in der Region bedeutet. Daud Daud war eine treibende Kraft im Kampf gegen die Taliban.

Es gibt aber auch Spekulationen, dass der deutsche Isaf-Kommandeur Markus Kneip das eigentliche Ziel gewesen ist.

Sabrautzki: Die Hintergründe liegen noch im Dunkeln. Und die Gerüchteküche kocht. Sicherlich ist die Verletzung von Generalmajor Kneip ein Triumph für die Taliban.

Also Oberwasser für die Taliban?

Sabrautzki: Nein, denn andererseits vergeht kein Tag, an dem die Taliban nicht eine empfindliche Niederlage einstecken müssen.

Der Selbstmordattentäter soll eine Polizeiuniform getragen haben. Ist das nicht ein schwerer Schlag für die Zusammenarbeit von Bundeswehr und afghanischer Polizei?

Sabrautzki: Sollte es sich tatsächlich um einen Polizisten gehandelt haben, ist das eine schwierige Situation.

Kürzlich gab es Proteste mit Toten in Talokan. Hätte das Treffen ranghoher Militärs am Samstag dann nicht besser gesichert werden müssen?

Sabrautzki: Wir können und wollen auch nicht alles selbst machen. Denn unser Ziel ist es ja, den Sicherheitskräften Verantwortung zu übertragen. Das ist Teil und Sinn des Partnering Programms. Natürlich müssen wir uns fragen, ob wir vielleicht zu sorglos waren.

Werden die afghanischen Polizeikräfte nicht überprüft?

Sabrautzki: Unsere Möglichkeiten sind da sehr begrenzt. Und afghanische Sicherheitsvorkehrungen sind leider immer ein Unsicherheitsfaktor.

Woran liegt das?

Sabrautzki: Das hat sicher etwas mit dem Menschenbild der Afghanen zu tun. Wenn jemand in Uniform kommt, vielleicht noch in Ehren ergraut ist und verlangt: „Lasst mich rein”, ist der Respekt vor so einer Person manchmal zu groß. Auch in Kundus müssen wir immer wieder am Ball bleiben, um das Niveau der afghanischen Kräfte zu halten.

Wird auf Erkenntnisse der Sicherheitskräfte zurückgegriffen?

Sabrautzki: Die sind immer involviert. Doch wenn wir allen Warnungen nachgehen würden, könnten wir nicht mehr rausgehen. Das würde selbst noch für die 40 Prozent der Meldungen gelten, die wir sehr ernst nehmen. Wir haben einen Auftrag zu erfüllen und müssen immer im Einzelfall entscheiden.