Israel schaut besorgt nach Ägypten
Kairo/Tel Aviv (dpa) - Der Wahlerfolg der Muslimbrüder in Ägypten hat in Israel große Sorge auch um den Friedensvertrag ausgelöst. Vor der ersten Stichwahl an diesem Montag sagte Verteidigungsminister Ehud Barak: „Der Prozess der Islamisierung in den arabischen Ländern ist sehr beunruhigend.“
Barak betonte nach Angaben der Zeitung „Jediot Achronot“: „Ich hoffe, dass jede Regierung, die in Ägypten gebildet wird, verstehen wird, dass es keine andere Wahl gibt, als den Rahmen der internationalen Abkommen einzuhalten, darunter auch der Friedensvertrag mit Israel.“
Im ersten Wahlgang war am Montag und Dienstag vergangener Woche in Kairo, Alexandria und sieben weiteren Provinzen gewählt worden. Offizielle Ergebnisse stehen noch aus. Klarer Gewinner dürfte aber die islamistische Muslimbruderschaft sein, der mehr als 40 Prozent zugeschrieben werden. Die radikal-islamistische Nur-Partei der Salafisten kommt nach inoffiziellen Angaben auf 20 Prozent und erreicht damit den zweiten Platz.
An diesem Montag sind die Stichwahlen der ersten Runde geplant, da nur wenige Kandidaten auf Anhieb mehr als 50 Prozent der Stimmen erreicht haben. Dabei treten vor allem Muslimbrüder an, oft gegen Vertreter der Nur. Zwei Drittel der Mandate wird über Listen gewählt, ein Drittel sind Direktkandidaten.
„Dies ist noch schlimmer, als wir erwartet hatten“, zitierte die israelische Zeitung einen namentlich nicht genannten ranghohen Sicherheitsrepräsentanten. Ein Mitarbeiter des Außenministeriums in Jerusalem habe gesagt: „Die Ergebnisse weisen auf eine Radikalisierung im gesamten Nahen Osten hin, eine Fortsetzung der Wahlen in Tunesien und Marokko.“ Die Islamisten hätten in Ägypten die Revolution „gestohlen“. „Sie haben es den Jugendlichen erlaubt, das Regime zu stürzen - und sind dann als zweite Welle gekommen. Das ist genau das, was 1979 auch im Iran passiert ist.“
Der Vorsitzende der Partei Freiheit und Gerechtigkeit der Muslimbrüder, Mohammed Mursi, bat die Ägypter in einem Interview der Zeitung „Gulfnews“ um Vertrauen und ging auf die Ängste der koptischen Christen ein. „Wenn es um politische und soziale Alltagsthemen geht, wird es in Ägypten keine Spaltung zwischen Muslimen und Christen geben“, versicherte er. Vor dem Gesetz gebe es hier auch künftig keine Diskriminierung.
Das islamische Recht, die „Scharia“, werde zwar weiterhin die wichtigste Quelle der Gesetzgebung bleiben. Auch mit Blick auf die Wirtschaft wies er aber Bedenken gegen eine mögliche islamistische Regierung zurück. „Wir wollen jährlich 50 Millionen Touristen ins Land bringen“, sagte Mursi. Im Wahlkampf hatten islamistische Parolen gegen Alkohol und Bikinis vor allem in der Tourismusbranche für Unsicherheiten gesorgt.
Die Partei „Freiheit und Gerechtigkeit“ bezeichnet sich selbst als islamisch-moderat. Eine klare Trennung von Staat und Religion wie in der Türkei lehnt sie aber ab. Unter Mubarak war die Muslimbruderschaft offiziell verboten.
Radikaler sind die bei der Wahl ebenfalls erfolgreichen Salafisten, denen die Muslimbrüder zu liberal sind. Sie eifern dem Leben des Propheten Mohammeds nach. Die Männer haben lange Bärte, die Frauen sind bis auf einen Augenschlitz bedeckt. Zu erkennen sind Salafisten ferner an den etwas zu kurzen Hosen, wie sie auch der Prophet getragen haben soll. Im Wahlkampf sind sie unter anderem aufgefallen, weil sie das Bild einer Kandidatin durch eine Blume ersetzten und in Alexandria die Statue einer Meerjungfrau verhüllten.
Die Parlamentswahlen werden am 14. Dezember in neun weiteren Provinzen fortgesetzt und am 3. Januar in den übrigen neun Regionen. Das Endergebnis wird am 13. Januar erwartet. Das neue Parlament wird die Aufgabe haben, eine neue Verfassung zu formulieren. Ende Juni soll dann ein neuer Präsident gewählt werden.