Italien auf dem Weg zu neuer Regierung
Rom (dpa) - Seinen parteiinternen Rivalen Enrico Letta hat Matteo Renzi zum Rücktritt gezwungen, nun ist für den 39-Jährigen der Weg zum Amt des italienischen Regierungschefs frei. Die Konsultationen bei Staatschef Napolitano scheinen fast nur noch Formsache - doch einige Fragezeichen bleiben.
Giorgio Napolitano begann am Freitagabend seine Beratungen mit den Parteien und könnte Matteo Renzi schon in den kommenden Tagen mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen. Zuvor hatte Napolitano den Rücktritt des bisherigen Regierungschefs Letta angenommen, der nach dem verlorenen parteiinternen Machtkampf mit Renzi aufgegeben hatte.
Am Samstag sollten die Konsultationen beendet werden, dann könnte Napolitano die nächsten Schritte unternehmen. Der Staatspräsident kündigte in einem Statement an, die Gespräche sollten „so schnell wie möglich“ abgeschlossen werden. Eine „wirksame Lösung der Krise“ sei in der schwierigen wirtschaftlichen Situation Italiens besonders wichtig. Die Oppositionsparteien M5S (Bewegung Fünf Sterne) und Lega Nord kündigten an, die Konsultationen boykottieren zu wollen. Sie forderten, dass Letta sich im Parlament offiziell erklärt.
Der designierte neue Regierungschef Renzi will Italien mit schnellen und konsequenten Reformen aus der Krise führen. Die Erwartungen an den bisherigen Bürgermeister von Florenz sind hoch. In dem Krisenland Italien mit seinem geringen Wachstum und dem riesigen Schuldenberg warten eine Reihe von Aufgaben auf den ehrgeizigen und charismatischen Aufsteiger, der seit Dezember Vorsitzender der Demokratischen Partei (PD) ist. Er könnte nun der jüngste Regierungschef Italiens aller Zeiten werden.
Die Bundesregierung und die EU-Kommission reagierten mit Sorge auf die politische Krise in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone. „Wir bauen darauf, dass sich die Verantwortlichen in allen demokratischen Parteien rasch auf eine stabile Lösung einigen können“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte, er erwarte keine wesentliche Veränderung der Politik in Rom. „Die Kommission hat weiterhin Vertrauen in Italiens Willen und Fähigkeit zur Fortsetzung der Reform- und Konsolidierungsbemühungen.“ Renzi scheine „ein sehr überzeugter Europäer mit einem tiefen Interesse an einer Fortsetzung der europäischen Integration“ zu sein.
Italien steckt damit nicht einmal ein Jahr nach der schwierigen Regierungsbildung nach den letzten Parlamentswahlen erneut in einer politischen Krise. Renzi wäre bereits der dritte italienische Regierungschef seit dem Rücktritt Silvio Berlusconis Ende 2011.
Der 47-jährige Letta leitete am Freitagvormittag seine letzte Kabinettssitzung, bevor er seinen Rücktritt einreichte. „Danke allen, die mir geholfen haben“, schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. Lettas Regierung war nur zehn Monate im Amt, er war im April von Napolitano eingesetzt worden.
In Rom wird nun erwartet, dass Renzi mit derselben Koalition wie Letta aus PD, kleineren Zentrumsparteien und der Mitte-Rechts-Partei Nuovo Centrodestra (Ncd) regieren könnte. Sein Kabinett könnte er schon in der kommenden Woche präsentieren, danach müsste sich Renzi Vertrauensabstimmungen in beiden Kammern des Parlaments stellen.
Offen ist, welche Rolle Silvio Berlusconi nach dem Neustart spielen wird. Renzi hat gegenüber dem aus dem Senat ausgeschlossenen und rechtskräftig verurteilten früheren Regierungschef bisher keinerlei Berührungsängste gezeigt. Berlusconis Partei Forza Italia (FI) kündigte an, dass der dreimalige Regierungschef ihre Gruppe bei den Konsultationen mit Napolitano leiten werde.