Italien: Der „Karrierist ohne Skrupel“ ist am Ziel
Matteo Renzi wäre mit 39 Jahren der jüngste Regierungschef seit Mussolini. An seinem rabiaten Stil entzündet sich Kritik.
Rom. An Erfahrung mangelt es Matteo Renzi noch, ist er doch gerade mal 39 Jahre jung. An Geschick und Unverblümtheit fehlt es dem „Speedy Gonzales“ der italienischen Politik allerdings nicht.
Er erlebe einen der „schönsten Augenblicke“ der letzten Jahre, zeigte sich der große Favorit für das Amt des italienischen Regierungschefs gestern im Florentiner Palazzo Vecchio bester Laune.
Gerade hatte es der Bürgermeister von Florenz als Chef der größten Regierungspartei PD (Partito Democratico) ohne Wimpernzucken geschafft, den Parteifreund Enrico Letta als Ministerpräsident abzuservieren. Am Morgen danach war aber nicht nur eitel Sonnenschein. Renzis rüder Stil und die hochgesteckten Ziele werfen eine Menge Fragen auf.
Nach dem parteiinternen Umsturz, den der Senkrechtstarter aus der Toskana inszenierte, erinnert sich das heutige Rom nicht nur an die Antike, als Brutus die Verschwörung gegen Caesar anführte.
Ein halbes Jahrtausend ist es her, dass Machiavelli seine berühmten Anleitungen für eine rücksichtslose Machtpolitik vorlegte. Was Renzi anstrebt, mit nur 39 Jahren den Regierungspalast in Rom einzunehmen, das gelang zuvor jedenfalls nur einem: Diktator Benito Mussolini im Jahr 1922.
Der neue Boss in Rom sei ein „Karrierist ohne Skrupel“, kommentierte Beppe Grillo, der Chef der populistischen „Bewegung fünf Sterne“ den Aufstieg Renzis. Dabei sei es aber noch nicht ganz klar, ob Renzi seinen „Strafstoß“ gegen Letta wirklich im Netz versenkt oder dabei über die Latte geschossen habe, meinte die liberale Zeitung „La Stampa“ zu der soundsovielten Anomalie im politischen Italien. Denn es kommt wohl der dritte Regierungschef hintereinander, der nicht als logisches Ergebnis aus einer Wahl hervorgegangen ist.
Neuwahlen soll es aber nicht geben, darin sind sich Staatspräsident Giorgio Napolitano und Renzi einig. Den Neustart verbindet der neue starke Mann mit seinem, wie er selbst sagt, „maßlosen Ehrgeiz“, das kranke Land Europas wieder auf die Füße zu stellen und eine Legislatur bis 2018 hinzulegen. Interessant wird sein, wie Silvio Berlusconi mit dem neuen Stern am politischen Himmel Roms umgeht.
Rechtskräftig wegen Betruges verurteilt und aus dem Senat geworfen, hatte Berlusconi seine Partei Forza Italia aus der Regierungskoalition zurückgezogen — und Letta damit geschwächt. Mit Renzi versteht sich Berlusconi. Zusammen haben sie bereits die Grundlage für eine dringende Wahlrechtsreform gelegt.
Während sich Renzi für seinen Sprint in den Regierungspalast warm läuft, schauen alle auf den Staatspräsidenten. Wieder einmal hat Napolitano die Fäden in der Hand, um sein Land aus der allerjüngsten Krise zu holen.