Jubel in Rom: Papst Johannes Paul II. ist selig

Für Millionen Gläubige war Johannes Paul II. schon bei seinem Tod ein Heiliger. Jetzt sprach Papst Benedikt XVI. seinen charismatischen Vorgänger vor einer Million Pilger selig - ein Verfahren in Rekordzeit.

Rom/Warschau (dpa) - Nur sechs Jahre nach seinem Tod ist der beliebte polnische Papst Johannes Paul II. ein Seliger. In einer ergreifenden Zeremonie erhob Benedikt XVI. am Sonntag in Rom seinen Vorgänger auf diese entscheidende Stufe vor einer Heiligsprechung. Mehr als eine Million Pilger und Gläubige waren für das katholische Großereignis in die Ewige Stadt gereist, darunter Zehntausende Polen.

„Johannes Paul II. ist selig!“, rief der Papst am traditionellen Feiertag der Arbeiter auf dem Petersplatz den Gläubigen zu. Der Jubel der Tausenden Pilger war weithin zu hören. Viele sanken betend auf die Knie. Andere vergossen Tränen der Rührung, als ein Porträt Karol Wojtylas an der Fassade des Petersdoms enthüllt wurde. Bei dessen Beerdigungsfeier am 8. April 2005 hatten mehrere Millionen Gläubige schon gefordert: „Santo subito“ (sofort heilig).

Bei der Begräbnisfeier sei bereits der „Duft seiner Heiligkeit“ zu spüren gewesen, sagte Benedikt am Sonntag. Deshalb habe er gewollt, dass der Prozess der Seligsprechung seines Vorgängers zwar vorschriftsmäßig, aber „ziemlich rasch“ vorangehen konnte. Der deutsche Pontifex hatte den Ruf der Gläubigen erhört und nach nur knapp drei Monaten das Verfahren der Seligsprechung eingeleitet.

Normalerweise kann der Prozess für diese Vorstufe zur Heiligkeit erst fünf Jahre nach dem Tod beginnen. „Heute ist der erwartete Tag gekommen“, rief Benedikt den Massen zu, „er ist schnell gekommen, weil es dem Herrn so gefallen hat.“

Weit über eine Million Pilger hatten sich für den feierlichen Akt bei zunehmend sonnigem Wetter in Rom eingefunden. Unter ihnen waren etwa 90 hochrangige Delegation aus aller Welt, 16 Präsidenten und Vertreter von 5 Königshäusern. Aus Berlin reiste Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zum Festakt nach Rom. Allein auf dem stark gesicherten Gelände direkt vor dem Petersdom wurden 80 000 Pilger gezählt. Wer auf der erst in den frühen Morgenstunden geöffneten Piazza San Pietro keinen Platz fand, konnte die Seligsprechung auf einem von 14 Großbildschirmen auf zentralen Plätzen verfolgen.

Gefeiert wurde nicht nur im Vatikan: Auch in seiner polnischen jubelten Hunderttausende Katholiken. Im Tempel Göttlicher Vorsehung im Süden der Hauptstadt Warschau stand die Enthüllung des weltgrößten Porträts des Seligen auf dem Programm. Es besteht aus 105 000 Fotos, die Menschen in den vergangenen Wochen den Organisatoren geschickt hatten. Am Samstagabend hatten sich tausende Gläubige in Warschau, Krakau und Wadowice zu Gebetswachen versammelt.

Auch im Heiligen Land feierten Gläubige. Im christlichen Notre Dame Center in Jerusalem wurde die Zeremonie aus Rom live übertragen. Der palästinensische Ministerpräsident Salam Fajad verfolgte das Geschehen im Johannes Paul II.-Zentrum in Bethlehem. In der Armenischen Katholischen Kirche in Jerusalem, der „Milch-Grotte“ in Bethlehem sowie der Verkündigungsbasilika in Nazareth fanden Nachtwachen statt. „Die Seligsprechung des ehrwürdigen Dieners Gottes Johannes Paul II. bewegt uns alle zutiefst“, hieß es in einer Erklärung von Vertretern aller christlichen Konfessionen im Heiligen Land - darunter der lateinische Patriarch Fouad Twal.

„Dieser beispielhafte Sohn der polnischen Nation hat den Christen auf der ganzen Welt geholfen, keine Angst zu haben, sich Christen zu nennen, zur Kirche zu gehören und vom Evangelium zu sprechen“, hob Joseph Ratzinger in Rom hervor. Er nahm selbst die Seligsprechung seines früheren Mentors vor. Damit schrieb erstmals ein Papst seinen direkten Vorgänger in das Buch der Seligen ein.

Nach der knapp dreistündigen Seligsprechungszeremonie betete Benedikt am geschlossenen Sarg des neuen Seligen im Petersdom. Der schlichte Holzsarg von Johannes Paul II. kann dann von den Gläubigen noch bis Montagabend besucht werden. Nach Schließung des Doms soll Johannes Paul II. dann in seine endgültige Ruhestätte unter dem Altar der Sebastiankapelle im rechten Teil des Petersdom gebettet werden.

Im Januar hatte der Vatikan den Weg für die Seligsprechung freigemacht, indem er die angebliche Wunderheilung Johannes Pauls an der französischen Nonne Marie Simon-Pierre anerkannte. Sie litt wie er an Parkinson. Die Nonne nahm prominent an der Messe vor dem Dom teil.

„Er hat die Gesellschaft, die Kultur, die Bereiche der Politik und der Wirtschaft für Christus geöffnet“, so Benedikt. Wojtyla habe mit der Kraft eines Riesen daran gewirkt, „uns die Kraft wiederzugeben, an Christus zu glauben“. Benedikt ging ausdrücklich auf das Wirken des Polen gegen Kommunismus und Sowjetideologien vor dem Fall der Mauer ein.

Etwa 100 000 Pilger hatten bereits am Samstagabend mit einer mehrstündigen Gebetswache im antiken Circo Massimo des beliebten Polen gedacht. Bei noch ungemütlichem Wetter waren auffallend viele junge Leute in die einstige Arena für Wagenrennen gekommen. Benedikt hatte sich mit einer Gebetsbotschaft an die Gläubigen gewandt. Die französische Nonne berichtete von ihrer Heilung. Acht römische Kirchen blieben die ganze Nacht über für angereiste Pilger offen.