Kämpfe um Al-Sawija - Bundeswehr hilft Flüchtlingen
Tripolis/Kairo (dpa) - In Libyen gehen die erbitterten Kämpfe um strategisch wichtige Städte unvermindert weiter. Die Truppen von Staatschef Muammar al-Gaddafi starteten am Samstag einen weiteren Anlauf, um die von Aufständischen kontrollierte Stadt Al-Sawija westlich von Tripolis einzunehmen.
Der von den Regimegegnern gebildete Nationalrat forderte die internationale Gemeinschaft auf, mit einer Flugverbotszone Gaddafi daran zu hindern, „sein eigenes Volk zu bombardieren“. Ein Eingreifen ausländischer Truppen auf libyschem Boden werde hingegen strikt abgelehnt.
Die USA und andere Nato-Staaten zogen unterdessen starke Einheiten auf der Mittelmeerinsel Kreta zusammen. Ägyptische Flüchtlinge aus Libyen wurden an der tunesischen Küste von deutschen Schiffen aufgenommen. Die beiden Fregatten sollten noch am Abend mit etwa 400 Menschen an Bord Richtung Ägypten in See stechen.
Augenzeugen in Al-Sawija berichteten dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira, dass sich aus Richtung Tripolis kommend 35 Panzer auf die Stadt zubewegten. Kurz darauf seien Panzergranaten eingeschlagen und Kampflärm zu hören gewesen. Am Vormittag hatten die Verteidiger der Stadt in erbitterten Kämpfen einen Angriff der Regimetruppen abgewehrt. Angaben über Todesopfer lagen zunächst nicht vor. Krankenhausärzte sprachen von 150 bis 250 Verletzten.
Bei Kämpfen am Vortag waren in Al-Sawija mindestens 30 Tote zu beklagen gewesen. Nach einem Bericht des staatlichen libyschen Fernsehens brachten die Regimetruppen den Flughafen von Misurata, 210 Kilometer östlich von Tripolis, unter ihre Kontrolle. Auch hier lagen keine Opferzahlen vor.
Die Rebellen, die praktisch den gesamten Osten des Landes kontrollieren, verzeichneten wiederum am dortigen Frontabschnitt Erfolge. Am Samstag festigten sie ihre Kontrolle über den in der Nacht zuvor eroberten Ölhafen Ras Lanuf. Ein Fotograf der Fotoagentur epa beobachtete, wie Aufständische Gaddafi-Bilder zerstörten und die von Gaddafi eingeführte grüne Landesflagge verbrannten.
Rebelleneinheiten stießen außerdem weiter in westlicher Richtung auf Sirte vor. Die Geburtsstadt Gaddafis galt bislang als Hochburg seiner Milizen. Nach Berichten von Al-Dschasira soll es aber dort zu einer Spaltung zwischen den maßgeblichen Stämmen gekommen sein. Der Zwist habe sich daran entzündet, dass sich einige der Clans weigerten, Verstärkungen für die Gaddafi-Truppen in Ras Lanuf zu entsenden.
In der Hafenstadt Bengasi explodierte in der Nacht zum Samstag aus bisher ungeklärten Gründen ein riesiges Munitionslager. Dabei kamen 27 Menschen ums Leben, Dutzende weitere wurden verletzt, berichteten Krankenhausärzte. In der Stadt bildete sich indes ein Nationalrat der Oppositionskräfte, um dem Aufstand gegen Gaddafi eine politische Führung zu geben. Der Rat, dem 31 Komitees aus verschiedenen „befreiten“ Städten und Gebieten angehören, tagte am Samstag erstmals an einem geheimen Ort in Bengasi. Sein Vorsitzender ist der ehemalige Justizminister Mustafa Abdul Dschalil.
Auf der dem Osten Libyens vorgelagerten griechischen Insel Kreta begann ein Truppenaufmarsch der westlichen Mächte. Wie griechische Medien und Augenzeugen aus der Region am Samstag berichteten, liefen bereits zwei große amerikanische Schiffe in der Bucht von Souda ein, darunter der Hubschrauberträger „USS Kearsarge“. An Bord seien rund 1200 Mann, darunter fast 800 Marineinfanteristen, berichtete der griechische Rundfunk. Das Schiff eignet sich sowohl für Landungsunternehmen wie auch für Evakuierungsaktionen. Auch Spezialeinheiten aus verschiedenen Nato-Staaten wurden nach Souda verlegt.
Die Deutsche Marine begann am Samstag vor der tunesischen Küste mit einem Hilfeeinsatz für Flüchtlinge. Zwei Fregatten und ein Einsatzgruppenversorger gingen vor der tunesischen Hafenstadt Gabes vor Anker gegangen und nahmen aus Libyen geflohene ägyptische Gastarbeiter an Bord, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Nachrichtenagentur dpa. Sie sollen in den ägyptischen Hafen Alexandria gebracht werden. Die Hilfsaktion wird vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) koordiniert.
Drei niederländische Marineflieger, die bei einer missglückten Befreiungsaktion in Libyen in Gefangenschaft geraten sind, werden jetzt der Spionage bezichtigt. Wie der niederländische Rundfunk NOS am Samstag unter Berufung auf das libysche Staatsfernsehen berichtete, betrachtet das Regime sie als Teil einer „internationalen Verschwörung“ gegen Gaddafi. Die Soldaten wollten mit ihrem Hubschrauber zwei Niederländer aus Sirte ausfliegen, wurden aber nach der Landung von Gaddafi-treuen Milizen festgenommen.
Bundespräsident Christian Wulff sagte unterdessen in einem Interview des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira, die europäischen Staaten seien bereit, die Bestrebungen der revolutionären Kräfte in Ägypten, Tunesien und anderen arabischen Staaten zu unterstützen und ihnen beim Aufbau demokratischer Strukturen zu helfen. Wichtig sei, dass Menschenrechte und der Schutz von Minderheiten dabei nicht vernachlässigt würden. Man dürfe radikalen Islamisten-Gruppen nicht die Chance geben, diese Umbruchphase für ihre Zwecke auszunutzen.